Ein zweiter Sommer
Für seine eigene Kindheit hat Blackfield-Kopf Aviv Geffen nur wenig Nostalgie übrig. Doch immerhin gab es ein deutsches Teenie-Magazin, das er sich jede Woche gekauft hat.
Aviv, beim Hören des neuen Blackfield-Albums wird schnell klar, dass der Pop der 80er ein großer Einfluss gewesen ist.
Aviv Geffen: Oh ja. Blackfield haben natürlich einen spezifischen Sound, der auch in einigen Tracks auszumachen ist, aber für dieses Album wollte ich einen freundlicheren, fröhlicheren Weg einschlagen. Ich bin ein großer Fan vom Pop der 80er. Diese Zeit hat mich stark beeinflusst. Als ich etwa sieben Jahre alt war, habe ich mir jede Woche die Bravo gekauft, das deutsche Magazin. Ich war süchtig danach.
Kannst du denn Deutsch verstehen?
Geffen: Nein, ein Nachbar musste mir helfen. (lacht) Aber es gab ja Autogrammkarten, Poster, Songtexte und dergleichen.
Du hast Blackfield mit dem englischen Musiker Steven Wilson gegründet, aber seit 2009 bist du der kreative Kopf. Hat er sich gegen den neuen Sound gewehrt?
Geffen: Steven singt auf dem Album auf drei Tracks und spielt Gitarre. Aber die Rollenverteilung ist klar. Ich habe ihm gesagt: Steven, Blackfield müssen in eine neue Richtung gehen. Selbst du hast dich von den Gitarren und dem Heavy Metal verabschiedet und machst jetzt Elektropop. Ich würde gern durch Europa, die USA oder Südamerika touren können, ohne von seinem Kalender abhängig zu sein. Ich war schon immer der Hauptsongwriter von Blackfield – also klappt das gut.
In Israel bist du ein Superstar, aber trotzdem blickst du mit kritischem Blick auf dein Land. Das merkt man zum Beispiel im Video zu „Summer’s gone“.
Geffen: Ich lebe in Tel Aviv, ich bin stolz, Israeli und jüdisch zu sein. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass etwa ein paar Kilometer von meinem Studio entfernt jemand in Gaza wohnt. Diese Person kann ein fantastischer Musiker sein, trotzdem hat sie keine Chance, eine ähnliche Anerkennung zu bekommen. Im Video zeigen wir zwei Musiker, einen in Tel Aviv und einen in Gaza, die beide ihr Bestes geben, aber ganz unterschiedliche Schicksale haben.
Du stammst aus einer der berühmtesten Familien Israels. Der Song „After all“ ist an deinen Vater adressiert, den Dichter Jonathan Geffen.
Geffen: Wenn wir älter werden, stellen wir nach und nach fest, dass wir unseren Vätern ziemlich ähnlich sind. Wir können besser nachvollziehen, was sie getan haben, und wir vergeben ihnen. „After all“ – am Ende – sind wir gar nicht so verschieden.
Gab es viele Unstimmigkeiten zwischen dir und deinem Vater, als du jünger warst?
Geffen: Wow, ja. Ich habe zwei Söhne, mit denen ich so viel Zeit wie möglich verbringe. Als ich in ihrem Alter war, hat mein Vater in New York oder London gelebt, er war besessen von seiner Kunst und von sich selbst. Ich bin ohne Vaterfigur aufgewachsen, das hat mich sehr wütend und traurig gemacht. Der Song ist eine Auseinandersetzung damit.
Du hast mal gesagt, die Bekanntheit deiner Familie hat es dir schwer gemacht, deinen eigenen künstlerischen Weg zu finden. Sorgst du dich, dass es deinen Söhnen ähnlich gehen könnte?
Geffen: Obwohl sie sehr musikalisch sind, will ich nicht, dass sie Künstler werden. Pionierarbeit leisten, sich immer neue Dinge überlegen, das ist unfassbar hart. Es ist sehr schwierig, ein guter Musiker zu sein.
Also sollen deine Söhne nicht in deine Fußstapfen treten?
Geffen: Nein! Bloß nicht. (lacht) Und um ehrlich zu sein: Ich bin ein großer Idiot. Sie sind viel klüger als ich, haben mehr Optionen. Sie sollen sich lieber normale Berufe suchen, das ist viel gesünder.
For the Music erscheint am 4. Dezember.