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Bonnie „Prince“ Billy: „I made a Place“ – Die ewige Wiederkehr von Zukunft und Vergangenheit

Acht Jahre lang gab es keine neuen Songs von Bonnie „Prince“ Billy. Jetzt zieht es Will Oldhams entrückten Folk in alle Richtungen auf einmal.

Eine misstrauische Googlesuche später muss man einsehen: Bonnie „Prince“ Billy hat tatsächlich acht Jahre lang nichts Neues rausgebracht. Die zahlreichen Veröffentlichungen seit „Wolfroy goes to Town“ bestehen aus B-Seiten, Neufassungen und Coverversionen: ein Selbstschutzmechanismus des Künstlers gegen die rasante Beschleunigung der Musikindustrie. Der tritt Will Oldham nun mit „I made a Place“ entgegen, einem Album wie ein Vexierbild, das zweifelt und bejaht, dringlich ist und gleichzeitig Gelassenheit predigt.

„You’ll be what came before, you were what is to come“

Die verfrüht triumphale erste Hälfte wirft mit Aphorismen nur so um sich. Am schönsten dabei die Albumthese, die sich nicht etwa in dem meditativ ruhenden Titeltrack findet, sondern in der verspielten Trinkeranekdote „Look backward on your Future and look forward to your Past“. Dort heißt es: „Get your Sense of Time from the ancient Hawaiians, your Sense of Self from a Hydrogen Blast: You’ll be what came before, you were what is to come.“. Dass diese Weisheit als flüchtiger Moment der Klarheit aus dem Munde eines alkoholkranken Eigenbrötlers kommt, ist exemplarisch dafür, wie Oldham mit Gegensätzen spielt, wenn er später trocken verkündet: „If you haven’t gone and made a Mess of yourself, you might just end up with the last Laugh.“

Musikalisch wie thematisch hat sich Will Oldhams entrückter Folk der Kultur Hawaiis zugewendet und bezieht daraus die Inspiration für den titelgebenden Schutzraum, freilich ohne Kitsch oder verklärte Esoterik. Denn Oldham sorgt sich mitnichten nur um die Musikindustrie. Er erkennt die „Atomisierung der Produktion und Rezeption von Musik“ als Symptom einer größeren Problematik mit echten emotionalen Konsequenzen. Somit ist das rückwärtsgewandte hawaiianische Verständnis von Zeit und menschlicher Erfahrung der Grundsatz für „I made a Place“.

Bonnie „Prince“ Billy erschuf einen Ort

Die zweite Hälfte wirft im Gegensatz zur glückselig-zungenschnalzenden ersten einen verhaltenen Blick auf weltliche und seelische Verheerung. In der Vergangenheit liegen die Unbeschwertheit und die Freude, die es wieder zu gewinnen gilt, in der Zukunft liegen Probleme und Sorgen, die erst noch überwunden werden müssen. So führen die ergreifenden privaten Zweifel von „The Glow Pt. 3“ und die gleichzeitig ernüchternde und bejahende These „This is far from over“ immer wieder zurück an den Anfang, der für alles eine Erklärung zu haben scheint. Ob als vorläufigen Trost oder als bleibende Erleuchtung, wird sich noch herausstellen. Dazu ist dieser Ort da, den Bonnie „Prince“ Billy geschaffen hat.

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