Colin Greenwood zum Brexit: „Eine Tragödie verschobener Träume“
Der Radiohead-Bassist zeichnet ein düsteres Bild für britische Bands, die nach dem Brexit durch Europa touren wollen.
Colin Greenwood, der Bassist der englischen Rockband Radiohead, hat in einem Artikel für den „Guardian“ den Brexit kritisiert. Dieser werde es britischen Acts in Zukunft deutlich schwerer machen, durch Europa zu touren. Insbesondere junge, aufstrebende Künstler*innen würden davon betroffen sein, so Greenwood.
Der Musiker beginnt seinen Text damit, an die frühen Auftritte seiner Band außerhalb Großbritanniens zu erinnern. Das erste europäische Konzert haben Radiohead demnach im Jahr 1993 im dänischen Aarhus gespielt. Darauf folgten bald ausgedehnte Touren über den ganzen Kontinent, die Greenwood zufolge großen Einfluss auf ihn und seine Kollegen hatten. „Wie Hamburg für die Beatles war Europa essenziell für unser Wachstum als Band“, schreibt er. „Es hat uns ermöglicht, uns selbst losgelöst von unseren UK-Wurzeln zu sehen, und sich ein Leben mit der Musik vorzustellen, die Fans überall erreichen konnte.“
Als eine Anekdote bringt der Bassist außerdem drei Shows an, bei denen er 2018 den belgischen Musiker Tamino in dessen Heimat unterstützt hat. Greenwood schildert, wie einfach das war: „Ich habe in Oxford meinen Bass geschnappt, bin in den Eurostar gesprungen und habe drei Nächte mit ihm und seiner Band gespielt.“
Touren unter Brexit: Carnet und Kabotage
Jetzt allerdings, so Greenwood, werde es wohl nicht mehr so einfach sein. Denn durch den Brexit sei das Touren durch Europa für britische Büger*innen erschwert. Zum einen ist ab jetzt ein Carnet nötig. Das ist ein Zollbegleitschein, in dem dokumentiert ist, welche Gegenstände man in ein Land einführt. Bands wie Radiohead müssen also jedes Mal, wenn sie eine Grenze überqueren, ihre Instrumente und ihr Equipment auflisten – und Steuern dafür zahlen.
Weiterhin spielt ab jetzt die Kabotage eine Rolle. Dieser Begriff bezeichnet das Recht eines ausländischen Unternehmens, in einem Land Güter oder Personen zu transportieren. Unter EU-Mitgliedern ist dieses Recht unbegrenzt, aber nach dem Brexit gilt dies für das UK natürlich nicht mehr. So dürfen Laster, die Radiohead-Ausrüstung transportieren, Greenwood zufolge nur noch zwei Stops innerhalb der EU machen, bevor sie zurück nach Hause müssen. Natürlich macht das alle längeren Tourneen sehr schwierig.
Dabei gesteht Colin Greenwood ein, dass er selbst zumindest finanziell keine Probleme bekommen wird. Doch das gilt nicht unbedingt für die Crew seiner Band. „Für all die unglaublichen Bühnen-, Sound- und Lichttechnikfirmen aus dem UK, die viele europäische Festivals betreiben, könnte es nun schwieriger sein, mit EU-Alternativen zu konkurrieren“, so Greenwood.
Doch die größte Sorge des Musikers gilt der Musikszene selbst. Denn gerade junge Musiker*innen werden nun weniger Möglichkeiten haben: Künstler*innen aus dem Vereinigten Königreich werden wohl weniger Jobs auf dem Festland bekommen, weil die Zollkosten höher sind als die Gage. Und für Nachwuchs aus Europa ist es nun komplizierter, ein Studium an einer britischen Musikschule zu beginnen. „Es ist eine Tragödie verschobener Träume“, so Greenwood.
Colin Greenwood: Appell an die Regierung
Zum Schluss ruft er daher die Regierung seines Landes auf, Fehler einzugestehen. Sie habe bei den Brexit-Verhandlungen nicht genug für die Kulturszene getan. Er schließt mit einem Appell: „Die Musik meines Landes ist großartig, weil sie Grenzen überspringt; sie ist eine große patriotische Quelle des Selbstvertrauens, der Freude und der geteilten Leidenschaften. Ich bin stolz auf mein Land und all die Musik, die es mit der Welt getauscht hat, und sicher wird dieser Stolz in allen Altersgruppen und Subkulturen im UK gefühlt. Er ist das Gegenteil des kulturell beschränkten Nationalismus, den der Brexit bedeutet, und seine Herabsetzung würde uns alle berauben.“