Deutsche Oper: „Matthäus-Passion“ von Johann Sebastian Bach mal anders
Die Deutsche Oper Berlin bringt Bachs berühmtes Oratorium als Event für alle Anwesenden: Mitsingen ist erlaubt!
Deutsche Oper Berlin: Bach-Oratorium für und mit allen
Die Deutsche Oper Berlin führt Bachs „Matthäus-Passion“ auf. Bachs Stück hatte seinen Sitz eigentlich in der Leipziger Thomaskirche als religiöses Ritual während der Karfreitagsliturgie. Nachdem Bach 1750 gestorben war, verschwand die Komposition aus dem jährlichen Kirchenkalender. Felix Mendelssohn Bartholdys entdeckte die „Matthäus-Passion“ 100 Jahre später wieder, und es begann eine breite Rezeptionsgeschichte, bis hin zu einem Stück Berliner Kulturgeschichte: Das gemeinsame Singen der Passion und damit auch die Feier der Passions-Werte trafen in jenen Jahren um 1829 auf die Nationalbewegung in Deutschland. So ist die Herausbildung einer bürgerlich-autonomen Kunstreligion in Berlin eng verknüpft mit den Aufführungen der „Matthäus-Passion“.
Das Publikum darf die „Matthäus-Passion“ mitsingen
Regisseur Benedikt von Peter hat in den letzten Jahren ungewöhnliche Raumlösungen im Musiktheater gefunden, indem er die musikalische und dramaturgische Architektur eines Stückes auf die Bühne und den Zuschauerraum überträgt. Die schon von Bach doppelchörig angelegte „Matthäus-Passion“ wird in diesem Sinne in der Deutschen Oper Berlin auf das gesamte Auditorium und die Hauptbühne ausgeweitet: Vier Orchester, mehrere Gruppen des Hauschores und Berliner Singvereine sind auf den gesamten Raum verteilt, das Publikum sitzt sich im Zuschauerraum und auf einer Tribüne auf der Hauptbühne gegenüber und, das ist der Clou, ist an ausgewählten Stellen eingeladen, mitzusingen. Parallel findet das szenische Spiel des Evangeliumstextes statt – die Zentralperspektive des Guckkastens wird so aufgehoben und es entsteht ein gemeinsames Ritual von Erwachsenen und Kindern, Laienchören und professionellen Künstler:innen.
Benedikt von Peter selber über seine Inszenierung: „Die Erzählung des Evangelisten Matthäus ist eine unserer ältesten Geschichten und beinhaltet Werte und Normen, die der christlich-abendländischen Kultur zugrunde liegen. Das Stück ist so gesehen eine Art ‚Wertemaschine‘: Es vermittelt durch und während der Aufführung Werte wie Demut, Verzicht, Opferbereitschaft und Nächstenliebe – Werte, die es in der individualistischen ‚Religion‘ des 21. Jahrhunderts nicht immer einfach haben. Indem Kinder die szenische Darstellung der Passionsgeschichte übernehmen, entsteht durchaus auch eine Distanz. Die Brutalität der Erzählung tritt deutlicher zutage. Denn es ist eine Geschichte, die Friedfertigkeit und Demut predigt, aber zugleich von der Gewalt erzählt, die Menschen einander antun.“