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„Die Passagierin“ von Franz Friedrich

Buchcover „Die Passagierin“ von Franz Friedrich

In einer ungewöhnlich versöhnlichen Zukunft lässt Franz Friedrich die Figuren aus seinem Roman „Die Passagierin“ mit der Vergangenheit hadern.

„Die Passagierin“ von Franz Friedrich ist eine ambivalente, aber seltsam tröstliche Utopie

„Die Passagierin“ von Franz Friedrich ist unsere Buchempfehlung der Woche.

Fehler wiedergutmachen, Verstorbene vor dem Tod bewahren: Es gibt wohl kaum einen größeren Menschentraum, als in der Zeit reisen zu können. In Franz Friedrichs Roman „Die Passagierin“ war dieser Traum eine Zeit lang Wirklichkeit, doch nun hat man die Rettungsmissionen wieder eingestellt. Auch Heather, aufgewachsen im Nachwende-Deutschland, wurde als Teenagerin in die Zukunft evakuiert und kehrt nun an den Ort zurück, an den sie damals gebracht wurde: Kolchis, das fast leere und immer weiter verfallende Sanatorium. Nur ein paar Übriggebliebene wohnen noch hier, wie Heather wollen sie mit ihrer Vergangenheit abschließen oder lernen, mit Phantomerinnerungen an ein Leben umzugehen, das sie nicht gelebt haben. Heather selbst wäre angeblich bei einem Unfall ertrunken, ist sich da aber nicht mehr so sicher.

In Kolchis findet sie eine eingeschworene Gemeinschaft aus Menschen aus den unterschiedlichsten Zeiten vor, doch es gibt auch Konflikte – allen voran mit Matthias, einst Söldner im Bauernkrieg, der sich nicht damit zufriedengeben will, dass das Verändern der Vergangenheit verboten wurde. Wie gehen wir mit Reue, Trauer und Verlust um? Wer sind wir, wenn wir allen Kontexten entrissen werden? Wo liegt die Grenze zwischen Machbarkeit und Pflicht? Es sind diese großen Fragen, die Friedrich anschneidet, allerdings mit einer scheinbaren Beiläufigkeit, mit der er auch seine Zukunftswelt skizziert, in der Zeitreisen genauso möglich sind, wie mithilfe von Medikamenten immer Kind zu bleiben. Das Sanatorium Kolchis wird dabei zu einem Ort, so plastisch und zugleich ungreifbar wie Thomas Manns Zauberberg. Und Friedrichs Roman zu einer ambivalenten, aber seltsam tröstlichen Utopie.

Mit „Die Passagierin“ hat es Franz Friedrich auf unsere Liste der besten Bücher im Juli 2024 geschafft.

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