Anzeige
„Donau“ von Florian Christl: Leben im Fluss
Mit seinem Konzeptalbum über die Donau setzt Pianist und Komponist Florian Christl zugleich ein Statement – privat und politisch.
Was tun wir unseren Flüssen nicht alles an: Wir müllen sie voll, legen sie trocken, heizen sie auf. Vorbei sind die Zeiten, als Dichter ihnen Oden und Komponisten ihnen Stücke gewidmet haben. Dabei sind die Wasserstraßen heute noch so wichtig wie vor Jahrhunderten. Mit seiner neuen Platte „Donau“ schließt Pianist und Komponist Florian Christl an alte Traditionen an: Tatsächlich hat er sich für das Konzeptalbum explizit von Smetanas „Moldau“ inspirieren lassen. Über zwölf Tracks folgt „Donau“ dem zweitlängsten Fluss Europas, von der Quelle im Schwarzwald bis zur Mündung ins Schwarze Meer, nahe der ukrainischen Hafenstadt Odessa.
Für Christl ist das weit mehr als ein nostalgisches Projekt, denn vor allem diese Mündung hat eine durchaus politische Komponente: Konkreter Auslöser für die Entstehung des Albums war der Krieg in der Ukraine. „Der Gedanke, wie uns die Donau alle direkt mit der Ukraine verbindet, ließ mich nicht mehr los“, sagt er. Über zwei Jahre hat er an dem Projekt gearbeitet und ist selbst den Fluss hinabgefahren, bis ins Delta. „Es war surreal und traurig. Der Kontrast zwischen der unglaublich schönen Natur und dem Wissen um die Schrecken des Krieges, die hier nur wenige Kilometer entfernt sind.“ Insofern ist es auch kein Zufall, dass auf dem Album auch das Ensemble Odessa Six dabei ist, dessen Mitlieder vor dem Krieg aus Odessa geflohen sind.
Nach einer kurzen Einstimmung („Prelude“) fasst Christl die bescheidenen, gewundenen Anfänge des Flusses in ein perlendes Klavierstück („Origin“), das wie der Rest des Albums um kreisende Arpeggios strukturiert ist. Mit „Bavaria“ lässt er die Einflüsse seiner Heimat Bayern einfließen, begleitet von dem traditionellen Ensemble Seeger Saitenmusik. Mit „Mozart Variation“ und „Vienna“ widmet er Wien gleich zwei Stücke, gefolgt von „Liszt Variation“ und „Budapest“ über die ungarische Hauptstadt – ersteres variiert mit Augenzwinkern ausgerechnet Liszts „Im Rhein, im schönen Strome“. Die folgenden Tracks sind inspiriert von den Zuflüssen, Landschaften und Ländern im weiteren Verlauf der Donau, bis „Delta“ das Album abschließt. Dabei wird es mal lauter und dramatischer („Strom“), mal fließend und geruhsam („Muntenia“).
Bei der Entstehung des Albums kam für Christl ein persönliches Erschwernis dazu: Kurz nach Beginn der Aufnahmen, im Herbst 2023, hat er einen Herzinfarkt erlitten. Er musste eine Zwangspause einlegen und hat eine neue Perspektive auf das Leben gewonnen: „Wir verwenden so viel Energie darauf, nach scheinbar bleibendem materiellen Einfluss, Reichtum oder Land zu streben“, sagt er. „Wir sollten mehr Zeit darauf verwenden, diese, unsere Reise miteinander zu genießen.“ Sein Album über die Donau – den Fluss, der mehr Länder berührt als irgendein anderer auf der Welt, der seit Jahrhunderten die Menschen miteinander verbindet – kann als Leitfaden dazu dienen.