„Ein einsamer Ort“ von Dorothy B. Hughes: Spiel mit dem Feuer
Dorothy B. Hughes (1904 – 1993) war zu ihrer Zeit eine erfolgreiche Hardboiled-Autorin. Die Neuausgabe von „Ein einsamer Ort“ zeigt, mit welchem Kniff die Amerikanerin die männlich dominierte Figurenkonstellation des Genres aufmischt hat.
„Ein einsamer Ort“ von Dorothy B. Hughes aus dem Jahr 1947 ist unser Krimitipp der Woche: Krimiklassiker neu entdeckt.
Macht und Erregung – das liegt für Dix Steele eng beieinander. Im Zweiten Weltkrieg war er Kampfpilot bei den US-Air Corps. Jetzt fehlt ihm die Überdosis Adrenalin, das Spiel mit der Gefahr. Zurückgeworfen auf sich selbst nimmt er in den späten 1940er-Jahren eine Auszeit in L.A. Dort kommt er in der Wohnung seines Bekannten Mel unter, der angeblich gerade in Rio weilt.
Steele lebt von den Schecks seines Onkels und gibt vor, einen Detektivroman zu schreiben. Schnell ist klar: Er ist „Der Würger“, der im letzten halben Jahr schon sechs Frauen zum Verhängnis wurde. Einmal im Monat lauert er abends seinen zufälligen Opfern an einsamen Orten auf, vergewaltigt sie und drückt ihnen die Kehle zu. Außer dem Muster eines Serientäters hinterlässt er weder Hinweise auf sein Motiv noch Spuren. Durch Zufall erfährt Dix, dass sein Army-Freund Brub Nicolais mittlerweile als Ermittler bei der Polizei arbeitet und zusammen mit seiner Frau Sylvia ganz in der Nähe wohnt. So trifft er sich regelmäßig mit den beiden und führt die Gespräche immer wieder zu den Morden.
Good Girl Sylvia und Femme Fatale Laurel – zwei klassische Figuren des amerikanischen Hardboiled-Genres.
Dix reizt das Risiko, enttarnt zu werden. Ein Spiel, bei dem er die Kontrolle behalten muss und das ihm durch das steigende Misstrauen der intelligenten Sylvia versüßt wird. Als sich ihm jedoch seine rothaarige Nachbarin Laurel mit einem verführerischen Hüftschwung in den Weg stellt, ist es um Dix geschehen. Bald schon küsst er morgens ihre Lippen wach und lässt sich nicht nur über den verschwundenen Mel ausfragen.
Good Girl Sylvia und Femme Fatale Laurel – zwei klassische Figuren des amerikanischen Hardboiled-Genres. Auch hier bringen sie die Welt eines Mannes durcheinander. Doch diesmal nicht als Opfer oder Täterin, sondern als Quasi-Detektivinnen, die Dix’ Frauenverachtung erkennen und ihn schließlich überführen. Durch die personale Erzählperspektive aus der Sicht von Steele wird lange verschleiert, wie weit Sylvia und Laurel ihn schon durchschaut haben.
Dorothy B. Hughes Klassiker von 1947 wurde ein paar Jahre später mit Humphrey Bogart verfilmt. Doch ist Hughes’ elegant erzählter Roman besser gealtert und erweckt mühelos eine Zeit zum Leben, in der sich in L.A. anscheinend jeder wie selbstverständlich beim Betreten einer Wohnung eine Fluppe ansteckt und sich den Highball reichen lässt.
Mit „Ein einsamer Ort“ hat es Dorothy B. Hughes auf unsere Liste der besten Krimis im Oktober 2022 geschafft.
„Ein einsamer Ort“ von Dorothy B. Hughes ist unser Krimitipp der Woche. Zuletzt haben wir auch „Detektiv Kranich“ von Arno Alexander empfohlen.