„Extraordinary“: Gestaltwandler, Medien und magische Titten
Was, wenn alle Superhelden sind, nur eine nicht? In der Serie „Extraordinary“ geht’s genau darum, und im Mittelpunkt der Handlung steht die 25-jährige Jen. Die erste Staffel hat jetzt bei ZDFneo und in der ZDF-Mediathek Free-TV-Premiere.
In der Serie „Extraordinary“ haben alle Menschen ab 18 Jahren irgendeine Superkraft, nur Jen nicht, und die ist immerhin schon 25. Verzweifelt sucht sie nach ihrer besonderen Fähigkeit, doch immer führt die Suche ins Nichts. „Extraordinary“ läuft jetzt auf ZDFneo und kann in der ZDF-Mediathek gestreamt werden. Wer ein Abo von Disney+ hat, kann die Serie schon länger und dort bereits auch die zweite Staffel schauen.
Die Stärke der Comedyserie „Extraordinary“ entsteht zunächst aus einem ganz einfachen Trick: Alle Menschen haben ab dem Moment, wo sie 18 Jahre alt sind, irgendeine Superkraft. Allein das gibt schon die komischsten Bilder: Während im Vordergrund die eigentliche Handlung abläuft, sieht man bei Szenen, die in der Öffentlichkeit spielen, im Hintergrund ständig kurioseste Momente, die ganz nebenbei ablaufen. Sind wir mit den Helden allein in einer Wohnung, werden die Superheldenkräfte durchaus thematisiert, egal ob nun der Lover im Bett beim Sex die Zeit zurückdreht, um eine unbedachte Äußerung zurückzunehmen, oder in der Küche der WG, wo Carrie mit ihrer Kraft als Medium mal eben Adolf Hitler aus dem Jenseits sprechen lässt und dieser dann kräftig verarscht wird. Oder ob Jizzlord, der Gestaltwandler, seine Gestalt mal wieder wieder nicht im Griff hat und zwischen Kater und Mann hin und her switcht, und Jen zunächst glaubt, ihre Superkraft entdeckt zu haben: Doch dass sie mit ihren „magischen Titten“ Kater in Männer verwandeln kann, entpuppt sich dann doch als Wunschvorstellung. „Extraordinary“ stammt aus der Feder von Emma Moran, einer nordirschischen Stand-up-Comedienne und Autorin, die international überhaupt erst mit dieser Serie bekannt wurde, Regie führte Toby MacDonald („Old Boys“).
Die Serie, die mit Sid Gentle Films Ltd. aus der gleichen Produktionsfirma stammt wie „Killing Eve“, brilliert aber nicht nur mit ihrer für ein Comedyformat herforragenden Charakterzeichnung und mit gleichzeitig grandios komischen Momenten, sie besticht auch durch die Schauspielkunst ihres Personals: In der Hauptrolle der 25-jährigen Jen, die immer noch auf der Suche nach ihrer Superkraft ist, agiert die Irin Máiréad Tyers („Tell me everything“, „Belfast), an ihrer Seite spielt in der Rolle ihrer WG-Genossin Carrie die Schauspielerin Sofia Oxenham (Nebenrollen in „Soulmates“ und „Cursed – Die Auserwählte“), und Bilal Hasna („The Agency“, „Dead Hot“) ist in der Rolle des Kash der Dritte im Bunde. Zu diesen Dreien gesellt sich schon ganz schnell ein streundender Kater, der sich schließlich als Jizzlord entpuppt, ein Gestaltwandler, gespielt vom Stand-up-Comedian und Schauspieler Luke Rollason („Industry“, „Becoming Elisabeth“). Charakterzeichnung und Dialoge einerseits sowie eine perfekte Balance zwischen Comedy und Ernsthaftigkeit andererseits machen aus „Extraordinary“ eine Serie, deren Heldinnen und Helden man ernst nehmen kann, auch ihre Träume und Sehnsüchte. Die Thematik der Superkräfte aber ist so in die Handlung eingeschrieben, dass sie als Bild für etwas ganz anderes herhalten kann: der in unserer Zeit komplett überhöhte Wunsch nach Individualität hat in der Gesellschaft eh schon Züge angenommen, die man nur noch schmunzelnd zur Kennntnis nehmen kann. In „Extraordinary“ kommt nach außen getragene Individualität als Superkraft daher, was ständig nur zu neuen Komplikationen und damit zu den komischsten Momenten der Serie führt. Auserzählt ist diese Geschichte noch nicht, die zweite Staffel läuft bereits auf Disney+, eine dritte Staffel wurde bisher nicht bestätigt.