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Flying Lotus: Ein Kindheitstraum wird wahr

Flying Lotus
(Foto: Tim Saccenti)

Der Produzent hat den Soundtrack zur neuen Netflix-Anime-Serie „Yasuke“ komponiert. Musikalisch fängt er die Thematik des Schwarzen Samurai ein.

Flying Lotus ist längst als ein Jahrhunderttalent anerkannt. Das bringt natürlich einige Privilegien mit sich. Eines davon ist, sich Träume zu erfüllen, die andere schon längst abgeschrieben hätten. Das hat Steven Ellison jetzt in Form der Netflix-Serie „Yasuke“ getan. Schon immer, erzählt der Produzent, ist er großer Anime-Fan, und bereits als Kind wollte er den Soundtrack zu einer Show beisteuern.

Doch „Yasuke“, die am 29. April auf Netlix gestartet ist, ist nicht einfach irgendeine Serie. Flying Lotus war von Anfang an an der Produktion beteiligt, hat eng mit Regisseur LeSean Thomas und Hauptdarsteller LaKeith Stanfield gearbeitet. Die Serie erzählt die fiktionalisierte Version einer wahren Geschichte: die von Yasuke, einem Schwarzen Samurai, der im 16. Jahrhundert für den Feldherrn Nobunaga gekämpft hat. Man versteht, warum FlyLo diese Geschichte nahegeht: Er selbst ist als Schwarzer Anime-Fan immer noch unterrepräsentiert. Und wer könnte den Vibe der Serie besser musikalisch einfangen als der furchtlose, eklektische Ellison?

Flying Lotus auf den Spuren von Vangelis

Man kann beim Hören nicht umhin, an den Soundtrack des Anime „Samurai Champloo“ zu denken. An dem war damals der leider verstorbene Lo-fi-HipHop-Pionier Nujabes beteiligt, eine von FlyLos zahllosen Inspirationen. Doch Ellisons Soundpalette ist um einiges breiter. (Meist) instrumenteller HipHop ist nur eines der Genres, die er hier verwertet: auch Elektro, Funk, Jazz, sogar Ambientanklänge finden sich unter den 26 kurzen Tracks. Die Leadsingle „Black Gold“ mit Thundercat würde auf dessen Album „It is what it is”, das Flying Lotus komplett produziert hat, nicht weiter aus dem Rahmen fallen. Immer wieder werden auch japanische Instrumente verwertet, etwa die gleichnamigen Trommeln in „Taiko Time“. An anderer Stelle treibt der Maestro die kulturelle Fusion auf die Spitze, indem er etwa in „African Samurai“ mit Rapper Denzel Curry einen Männerchor einbaut, der an traditionelle afrikanische Musik erinnert.

Vielleicht am auffälligsten und überraschendsten aber ist der immer wiederkehrende Bezug auf Vangelis’ Soundtrack zu „Blade Runner“, dessen sphärische, an Saxofone erinnernde Synths FlyLo als konkrete Inspiration genannt hat. Sie verleihen „Yasuke“ einen retrofuturistischen Touch und gleichzeitig eine meditative Ruhe, die dem hektischen Trommelgeklapper anderer Tracks („War Lords“ wird sicher in der einen oder anderen Actionszene genutzt) entgegenwirkt.

Trotz aller Experimentierfreude ist „Yasuke“ ein Soundtrack: Die Stücke sind darauf ausgelegt, die Handlung der Serie zu begleiten. Insofern kann es nicht überraschen, wenn das Album nicht an das Chaos und die schiere Überwältigung von anderen FlyLo-Platten wie „Cosmogramma“ oder „Flamagra“ heranreicht. Doch das hat auch Vorteile: Im Gegensatz zu diesen fordernden Werken kann man „Yasuke“ auch mal bei der Schreibtischarbeit im Hintergrund laufen lassen. Man muss nur aufpassen, sich nicht in epischen Tagträumen zu verlieren.

Der Soundtrack zu „Yasuke“ ist ab dem 24. September auch auf CD und LP erhältlich.

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