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„Full Moon“ von Moonchild Sanelly: Der Mond ist aufgegangen

Moonchild Sanelly veröffentlicht neues Album „Full Moon“
Moonchild Sanelly veröffentlicht neues Album „Full Moon“ (Grace Pickering)

In ihrer Heimat Südafrika ist Moonchild Sanelly längst ein Star und auch Beyoncé oder die Gorillaz feiern die Sängerin & Rapperin schon lange. Ihr drittes Album „Full Moon“ könnte sie auch hierzulande immer mehr zu einem Namen werden lassen.

Wer in diesem Jahr auf dem Reeperbahn Festival unterwegs gewesen ist, wird nicht an Moonchild Sanelly vorbeigekommen sein. Das ist wörtlich zu nehmen, denn die Südafrikanerin war wirklich überall zu sehen – und ist mit ihren blauen Haaren auch im Trubel der dicht bepackten Reeperbahn unschwer zu erkennen gewesen. Seien es ihre zwei Auftritte während des Wochenendes oder ihre Nominierung für den hauseigenen Newcomer:innenpreis, die Anchor Awards: Sanelly hat sich zum heimlichen Star des Festivals gemausert und sich – auch durch die vielleicht energetischsten Liveshows des ganzen Festivals – in viele neue Köpfe und Herzen gespielt.

Man könnte durch diesen Eindruck meinen, die Sängerin sei frisch im Geschäft, doch der Eindruck täuscht. Nur in Deutschland beginnt sie gerade die Wellen zu schlagen, die sie seit einiger Zeit in ihrer Heimat und tatsächlich auch schon in den USA, London oder Brasilien verursacht hat. Ihr neu erschienenes Album „Full Moon“ ist deshalb auch nicht etwa ihr Debütalbum, sondern bereits das dritte in ihrer seit 2015 wachsenden Diskografie. Doch das 12 Tracks starke Album ist tatsächlich wunderbar für Neueinsteiger:innen, soviel schon mal vorweg.

„Full Moon“ von Moonchild Sanelly vereint ihr bisheriges Schaffen

Denn auf „Full Moon“ zeigt die Sängerin ihre ganze Bandbreite an Genres auf, an denen sie sich in ihrem bisherigen Schaffen so versucht hat – und das sind eine Menge. Einen eigenen Begriff für ihre Musikrichtung hat sie gleichwohl schon versucht zu prägen, auf den Terminus Future Ghetto Funk ist die Wahl dabei gefallen. Doch zu diesen drei Teilen ihres Neo-Genres gesellen sich noch munter eine Vielzahl an weiteren Inspirationsquellen hinzu. Da ist eine Prise an Kwaito zu erkennen, dem explizit und lebhaft gehaltenen Genre ihres südafrikanischen Aufwachsens, genauso wie Einflüsse aus HipHop, Edgy-Pop, Afro-Punk und treibenden Electronica-Sounds.

Schon durch diese Genrebefreiung fällt auf: Sanelly lässt sich nicht auf den Sound ihrer Herkunft festmachen, sondern verwebt ihn stattdessen geschickt in die großflächig gehaltenen Klänge Londons, New Yorks oder Berlins. Gerade die Dance-Sounds auf „To kill a single Girl (Tequila)“ oder „Boom“ folgen dieser Rezeptur und scheinen mit ihren bombastischen Instrumentals geradezu dem Club entrissen worden zu sein. Die Breakbeats auf „Sweet & savage“ drücken gewaltig auf die Brust, und wer die 40-Jährige in jüngerer Zeit live erlebt hat, wird die wortfetzengesteuerte Hook von „In my Kitchen“ noch immer mietfrei im Kopf herumfliegen haben. Alles Club, alles Spaß, alles Exzentrismus, mag man bei der bisherigen Auswahl meinen, und tatsächlich ist dieses Album zu den größten Teilen eine Zelebrierung der Feierkultur, der Positivität, weiblicher Unabhängigkeit und der sexuellen Offenheit.

Nüchterne Momente

Doch immer wieder kippt die große Party für einen Moment, und sie stiehlt sich gewissermaßen in die hintere Ecke des Clubs. Da sind die sanften Harmonien von „Mntanami“, auf dem sie sehr berührend der Vorstellung nachgeht, wie ihr Vater sie um Verzeihung für seine Vernachlässigung früher bittet. Da ist der Spoken Word-Teil von „I love People“, der nicht weniger als eine grenzenlose Liebe verhandelt und den ruhigen Closer-Teil des Albums einläutet. Das Outro, „I was the biggest Curse“, lässt dieses Album nach atemlosen und durchgemachten Clubnächten voller Hedonismus und Sorgenfreiheit auf der durch die letzten beiden Songs bereits erreichten ruhigen Note enden. Reflektierend singt sie, jetzt wieder zuhause angekommen: „I put my hands in the sky, cause I’m proud of the girl I have become“.

Es ist diese Ambivalenz in ihrem Schaffen, dass die Musik von ihr so interessant macht. Nicht nur ihr stetes Wandeln zwischen Genregrenzen, bei der man sich nie so sicher sein kann, welche Route der Song jetzt einschlägt, auch die rasant wechselnden Stimmungen lassen das Album zu einer nie voraussehbar werdenden Episode werden. Sicher sein kann man sich da nur, dass Moonchild Sanelly in jedem Moment genau das macht, was ihr gerade in den Sinn kommt – und damit Authentizität bis zum Mond und zurück versprüht.

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