„Good Riddance“ von Gracie Abrams: Friedliche „Folklore“-Flashbacks
Nach zwei EPs hat Gracie Abrams ihr erstes Album veröffentlicht. „Good Riddance“ klingt nach Aufbruch, Schmerz und wie die Stiefschwester von Taylor Swifts „Folklore“.
Seien wir mal ehrlich: Das Pademie-Jahr 2020 noch einmal erleben? Das wünschen sich wohl nur die allerwenigsten von uns. Wer versucht, dem Ganzen etwas Positives abzugewinnen, nennt dann meist die Entschleunigung und dazugewonnene Zeit für neue Hobbys wie Stricken. Und ein paar musikalische Lichtblicke gab es eigentlich auch. Der überraschende „Folklore“-Release von Taylor Swift wäre schon eher etwas, das man Revue passieren lassen könnte. Dem kommt Gracie Abrams jetzt ganz schön nahe.
Das mit Banjo- und Gitarrenriffs verzierte „Best“ erklingt, und friedliche „Folklore“-Flashbacks erscheinen im Kopf. „Difficult“ erinnert mit seinem rhythmischen, vorsichtigen Spannungsaufbau an Swifts Stück „Peace“. Statt eines Zukunftsausblicks besingt Abrams jedoch die Angst vor dem Loslassen: „And I’ve been thinking if I move out this year I’ll feel my parents slipping away“. Mit ihrer schwermütigen Stimme, die sich immer wieder am Rande des Brechens befindet, gestaltet Abrams ihre Musik dennoch ganz anders als Swift. Ihre Texte sind häufig düster, aber sensibel und poetisch formuliert. „What if I’m not worth the breath I know you’re saving?“, fragt sie beispielsweise in „I know it won’t work“.
Abrams Debüt-Album ist ein ehrliches Coming-of-Age-Werk. Dabei zeigt die 23-Jährige sich keinesfalls mit leichtsinniger bis unreifer Teenieproblematik, sondern ehrlich und roh auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Ihre Songs thematisieren verflossene Liebe und ungesunde Dynamiken in ihren Beziehungen bis hin zu mentalen Problemen. Ihre Zeilen sind häufig voller Schmerz, wie in „Fault Line“: „You could go and I won’t even feel it. Wouldn’t hold up the road when you’re leaving. You’re a bad holiday, you’re the drug that I take when I want to forget how I’m feeling“.
Der Album-Titel „Good Riddance“ heißt übersetzt so viel wie „Auf Nimmerwiedersehen“. Aufbruch und Loslassen sind Themen, die in jedem Song anklingen und sich durch den Longplayer ziehen. Das letzte Stück „Right now“ fasst Abrams’ Zerrissenheit bezüglich des Weiterziehens auf. Zwischen Angst vor Veränderung und Verlusten fühlt sie sich langsam angekommen bei sich selbst. Durch einzeln stehende Klaviertöne flüstert sie „I’m so high, but can’t look down. Left my past life on thе ground. Think I’m more alive somehow. I feel likе myself right now“.
Gracie Abrams verpackt die schwierigen und heimwehbelasteten Momente des Erwachsenwerdens in sanftem musikalischem Gewand. „Good Riddance“ ist ein Soundtrack für Momente des Zweifelns, zurückgezogene Phasen und vorsichtige Ausbrüche aus der Introvertiertheit. Die Parallelen zu „Folklore“ liegen übrigens nicht zuletzt deshalb nahe, weil Gracie Abrams für „Good Riddance“, wie auch Taylor Swift, mit Aaron Dessner zusammenarbeitete. Auf Instagram bedankt sich Abrams bei ihm mit den Worten „I love you so much. This album means the most to me for a million different strange and complicated reasons and I’ll never have the right words to express my gratitude for the process making it“.