„Haus Kummerveldt“: Die aufmüpfige adelige Frau im Kaiserreich
Auf Arte und in der Arte-Mediathek startet die Serie „Haus Kummerveldt“, eine Mischung aus Historienserie und deftiger Satire. Man kann aber auch Dramedy zu diesem überaus gelungenen Sechsteiler sagen.
„Haus Kummerveldt“: Arte zeigt ambitionierte Miniserie
„Was denken Sie? War das ein Ja?“ Gerade hat Graf von Mogge um die Hand von Luise von Kummerveldt (Milena Straube) angehalten. Die reagiert im inneren Monolog mit einem Wutausbruch, geht ruhig zum Fenster, öffnet es und springt in den Burggraben. Grund für ihre Aktion: Ihr Bruder Veit (Marcel Becker-Neu, „Ferndinand von Schirach: Glauben“) ist nach dem Tod des Vaters ihr neuer Vormund und will Luise sehr zu ihrem Unwillen so schnell wie möglich verheiraten. So startet die Serie „Haus Kummerveldt“ auf Arte und in der Arte-Mediathek, die irgendwann gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Kaiserreich spielt.
Luise von Kummerveldt ist eine selbstbewusste Frau, die sich entgegen aller Erziehung und trotz des prägenden sozialen Umfelds emanzipierte. Die Folge: Sie eckt – vorsichtig ausgedrückt – überall an. Luise liest leidenschaftlich gern Bücher, und sie schreibt selbst. Gerade erst hat sie ein Manuskript abgeschlossen und schickt es an einen Verlag. Doch seit dem Tod des Vaters hat sie nur noch mit Gegenwind zu kämpfen. Dass das mal nicht so war, zeigen die Rückblenden, in denen ihr Vater nicht bereit war, seine Tochter „zu verschachern“, und der sie auch als angehende Schriftstellerin unterstützen wollte.
„Haus Kummerveldt
Oder wie die Adelige Luise Hysterie heilte,
indem sie so lange schrie,
bis ihr Korsett von der Taille
in des Vaterlandes Fresse knallte.“
So lautet der etwas umständliche ganze Titel der Serie „Haus Kummerveldt“, der schon ihre Ambivalenz zwischen groteskem Humor und großer Tragik zum Ausdruck bringt. Veit versperrt seiner Schwester in der Folge von Luises Sprung in den Burggraben die väterliche Bibliothek, weil die Bücher nichts für eine Frau seien. Der Zweikampf eskaliert somit, und Lusie wirkt in der Folge immer überspannter, redet, wenn sie alleine ist, mit ihrer als Kind schon verstorbenen Schwester Ida und verliebt sich in ihren Arzt, Dr. Büchner (Wolf Danny Homann, „German Crime Story: Gefesselt“).
Schließlich vereinbaren die beiden Geschwister ein Spiel, wie sie es das letzte Mal als Kinder gespielt haben. Gewinnt Luise, kriegt sie den Schlüssel zur Bibliothek, verliert sie, muss sie Graf von Mogge heiraten. Die fiktive Ida (Leonie Rainer) rät ihr davon ab, auch Luise und Veit wissen, dass sie das Spiel seit dem ominösen Tod Idas nicht mehr gespielt haben, weil es da einen direkten Zusammenhang gab, der aber noch nicht offenbar wird.
Die Serie „Haus Kummerveldt“ spielt mit den Zeiten und deren unterschiedlicher Sprache: Mal bricht es aus Luise heraus, und dann spricht sie wie eine aufbegehrend Frau heute. Dann wieder finden ganze Dialoge in einer elaboriert-künstlichen Sprache statt, die an das 19. Jahrhundert erinnern. Komisch wird es, wenn Veit seiner Schwester damit droht, er könne ihr mit dem kommen, was er auf der Offziersschule gerlernt habe: Luise antwortet nur, sie habe den gesamten Marquis de Sade gelesen. Nach zwei gesichteten von insgesamt sechs Folgen der Miniserie muss man „Haus Kummerveldt“ als kurzweilige Geschichte loben, die neben anderm auch eine geistreiche und drastische Satire auf konserative Rollenbilder nicht nur im 19. Jahrhundert ist, die alle Klischees von Groschenromanen auffährt und gleichzeitig ihre ironische Brechung liefert.
Die zweite Staffel von „Haus Kummerveldt“ wurde bereits 2022 gedreht, eine dritte Staffel war für 2023 angesagt. Wann Arte die weiteren Staffeln zeigt, ist nicht bekannt. Für Regisseur Mark Lorei, der sonst nur Dokumentationen über Westfalen dreht, ist „Haus Kummerfeldt“ bis auf eine Ausnahme der erste fiktive Stoff.