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„Here in the Pitch“ von Jessica Pratt: California Dreamin’

Jessica Pratt Renée Parkhurst
Screenshot (Foto: Renée Parkhurst)

Mit ungewohnt üppigem Sound begibt sich Jessica Pratt auf ihrem heiß erwarteten vierten Album ins Unterbewusstsein ihres Heimatstaates.

Fünf Jahre hat Jessica Pratt an ihrem neuen Album getüftelt. Da können Fans damit rechnen, dass die US-Musikerin mit der einen oder anderen Überraschung um die Ecke kommt. Und tatsächlich schlägt Pratt, die mit minimalistischem Folk bekannt geworden ist, auf „Here in the Pitch“ neue Saiten an. Ihr Ziel: „große Panorama-Klänge, bei denen man an den Ozean und Kalifornien denkt“, erklärt sie. Klingt Jessica Pratt jetzt also wie Lana Del Rey? Nicht direkt. Aber sie hat den Sound ihrer vorherigen Alben erweitert, indem sie den orchestralen, jazzigen Pop der 60er als Inspiration genommen hat – darunter Scott Walker und Judy Garland, dank deren Einfluss sie auf Tracks wie „Empires never know“ so tief singt wie nie zuvor. Und natürlich dürfen auch die Beach Boys nicht fehlen.

Am deutlichsten ist der Einfluss Brian Wilsons auf „Better Hate“ zu hören, wo Pauken, Holzbläser und Pratts mehrspuriger Gesang die Atmosphäre eines „Pet Sounds“-Outtakes beschwören. Doch „Here in the Pitch“ ist kein Mimikry, dazu ist Pratts Stimme zu unverkennbar, ihr Ansatz zu eigenwillig. Wo Wilson auf einen von Phil Spector inspirierten Wall of Sound gesetzt hat, lässt sie selbst in den intensivsten Momenten noch Raum für die Akustikgitarre. Tatsächlich sind es auch an „Pet Sounds“ die stillen Augenblicke, die sie am meisten faszinieren: „Es gibt Momente, wo du das Gefühl hast, kurz nur das Studio zu hören“, erinnert sie sich. „Die haben mich als junge Person immer total fasziniert, es fühlt sich an, als könntest du die Hand ausstrecken und die Textur des Klanges in der Luft berühren.“

Doch die 60er sind nicht nur eine musikalische Inspiration für das Album. Es ist die dunkle Seite der Hippie-Bewegung, die Pratt fasziniert – und wir erinnern uns, dass Dennis Wilson einst mit Charles Manson befreundet war. Pratt, die schon ihr Leben lang in Kalifornien wohnt, ist für „Here in the Pitch“ zur Amateur-Manson-Historikerin geworden. Explizite Referenzen fehlen zwar, aber Songs wie „By Hook or by Crook“ tänzeln über einen düsteren Abgrund, während die Sängerin im Video zur Single „World on a String“ als eine Art Kult-Führerin auftritt. Dass das alles nicht so ernst gemeint ist, versteht sich von selbst. „Ich verbringe viel Zeit damit, mich zu sorgen und mir schlimme Dinge vorzustellen“, sagt Pratt. „Vielleicht ist deshalb die Idee interessant, eine Figur zu verkörpern, die die Macht hat.“

Am Ende nutzt sie ihre Macht natürlich für das Gute. Der Schlusstrack „The last Year“ ist nicht nur der nostalgischste Song auf der ganzen Platte, sondern auch der hoffnungsvollste: „I think it’s gonna be fine/I think we’re gonna be together/And the storyline goes forever/And the distances I can see/It’s you and me“, singt Pratt. Ein Liebeslied, das so auch in den 60ern hätte geschrieben werden können, am nächtlichen Pazifikstrand. Es ist ein Traum, den selbst Charles Manson nicht zerstören konnte.

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