Jordan Rakei: Im neuen Licht
Die Songs von seinem neuen Album „What we call Life“ haben heilende Kräfte – auch wenn es Jordan Rakei nicht gelungen ist, sich selbst von seiner größten Angst zu befreien.
Jordan Rakei, mit „What we call Life“ veröffentlichst du ein sehr persönliches Album, das viel melancholischer klingt als etwa der Vorgänger „Origin“ und sich als Ambient-Soul beschreiben lässt. Hast du diesen Effekt bewusst einkalkuliert, als du angefangen hast, dich mit Positiver Psychologie zu beschäftigen?
Jordan Rakei: Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, dass das passieren könnte. Mich hat dieser Ansatz interessiert, ich habe mich auf eine Therapie eingelassen – und plötzlich hat sich mein Blick auf mein Leben so radikal verändert, dass ich das einfach in meiner Musik verhandeln musste.
Es geht vor allem darum, aus einer anderen Perspektive auf prägende Momente deines bisherigen Lebens zu schauen, oder?
Rakei: Genau, ich bin ja nicht mit einer Depression in diese Therapie gegangen, sondern als jemand, der eigentlich ganz zufrieden ist. Die Ausgangsfrage war: Kann ich glücklicher werden, wenn ich zu bestimmten Momenten meiner Vergangenheit zurückkehre, in denen es mir sehr viel schlechter ging als heute? Mit den Texten durchlebe ich diese Erfahrungen neu: Ich bin wieder der Achtjährige, der unter extremen Angststörungen leidet, oder der Teenager, der mit der Scheidung seiner Eltern nicht klarkommt. Mit meinem heutigen Wissen kann ich meinem jüngeren Ich den Rücken stärken und ihm versichern, dass das alles schon irgendwie werden wird.
Trotzdem sagst du, „Family“ sei der schwierigste Song gewesen, den du bisher geschrieben hast.
Rakei: Weil es bei diesem Song nicht nur darum geht, meine eigenen Gefühle schonungslos offenzulegen. Ich habe mich gefragt, wie meine Eltern reagieren werden, wenn ich dieses Stück veröffentliche. Also habe ich es ihnen vorab geschickt, und beide haben mit sehr warmherzigen Nachrichten geantwortet, dass sie sehr stolz auf mich sind und meinen Mut bewundern, so viel Verletzlichkeit preiszugeben. Der Song war ein Durchbruch, weil wir zum ersten Mal ganz offen über diese Zeit gesprochen haben.
Du bist aber auch mit einem ganz akuten Problem in diese Therapie gegangen: Du leidest unter Ornithophobie und hast panische Angst vor Vögeln.
Rakei: Diese Angst begleitet mich schon mein ganzes Leben, ohne dass ich eine Ahnung hatte, woher sie rührt. Sie war immer Teil meiner Identität, und all meine Freunde haben das stets mitbedacht, wenn sie sich mit mir getroffen haben. Ich kann etwa nicht entspannt in einem Restaurant am Fenster sitzen, wenn draußen Vögel zu sehen sind. Meine Therapeutin hat das sehr schnell als eine Angst vor unberechenbaren Situationen und generell dem Unbekannten definiert. Was Sinn ergibt, da ich mich auch vor zwischenmenschlichen Situationen fürchte, deren Verlauf ich vorab nicht einschätzen kann. Ich bin beispielsweise extrem verunsichert, wenn ich mit Menschen verabredet bin, die ich noch nicht kenne.
Hat dich das Wissen um die Ursache denn von deiner Angst befreit?
Rakei: Auf konkrete Situationen bezogen war diese Erkenntnis leider kein Durchbruch. Ich durchlebe diese Panikzustände noch immer, doch immerhin bin ich jetzt im Nachhinein nicht mehr so verunsichert. Es hilft, dass ich mir mein absurdes Verhalten erklären kann.