Kein Schlussstrich! Ein bundesweites Theaterprojekt zum NSU-Komplex

Für eine „Ästhetik des Widerstands“ haben sich 15 Institutionen zusammengetan, um im Herbst strukturellen Rassismus und rechte Gewalt mit künstlerischen Projekten zu thematisieren.
Im Herbst dieses Jahres jährt sich die Selbstenttarnung des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) zum zehnten Mal. Ein Schlussstrich zum komplexen Thema rassistischer Gewalt ist damit noch lange nicht gesetzt. Um die Hintergründe und Taten des NSU-Komplexes künstlerisch zu thematisieren, wurde das bundesweite Theaterprojekt „Kein Schlussstrich!“ ins Leben gerufen.
Das Projekt findet vom 21. Oktober bis zum 7. November statt und setzt sich aus 15 Institutionen zu einem Kooperationsnetzwerk zusammen. Zur Umsetzung des Projekts hat sich im September 2020 der Verein „Licht ins Dunkel e.V.“ gegründet. Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard und JenaKultur-Werkleiter Jonas Zipf bilden den Vereinsvorstand. Zu den Akteur*innen des Theaterprojekts „Kein Schlussstrich!“ zählen unter anderem die Kuratoren Simon Meienreis, Tunçay Kulaoğlu und die kuratorische Beraterin Ayşe Güleç. Zum Projektbeirat gehören die Journalistin Ferda Ataman, Comedienne und Schauspielerin İdil Baydar, Sozialpädagogin Isidora Randjelović und die Soziologinnen Vanessa Eileen Thompson und Katharina Warda.
Da Kunst und Theater Stimmen und Konflikte hörbar machen können, dienen diese als Erfahrungsraum von Gesellschaft. Im Fokus des bundesweiten Projekts stehen die Fragen: Wer wird gehört und wer wird nicht gehört? Auf fünf Programmebenen setzt „Kein Schlussstrich!“ gemeinsam mit Betroffenen, Aktivist*innen und Künstler*innen, darunter (Archiv-) Beiträge von Harun Farocki und Hito Steyerl, themenbezogene künstlerische Projekte mit diskursivem Programm um. Dazu zählen die zwei multilokalen Eigenproduktionen „MANİFEST(O)“, einem musikalisch-performativen und partizipatorischen Oratorium, sowie die ASA FF-Ausstellung „Offener Prozess“. Unter den teilnehmenden Theaterhäusern wird es zahlreiche Theaterpremieren geben, die von einem vielseitigem Rahmenprogramm begleitet werden. Darunter finden Gastspiele, Lesungen, Podiumsdiskussionen, Vermittlungsformate, Filme und Konzerte statt.
Wie Vanessa Eileen Thompson, Mitglied des Projektbeirates betont, kann das Projekt als „Ästhetik des Widerstands“ verstanden werden. Auch İdil Baydar machte emotional deutlich, dass es darum geht, Rassismus zu entkräften. Hier könne nicht von Einzelfällen gesprochen werden. Struktureller Rassismus liege im System. Es handele sich um eine durch alle Institutionen durchgetragende Absicht. Mit den Worten „Es ist genug! Ein Schlussstrich müsste unter die Naivität gesetzt werden!“ machte Baydar auf einer Kampnagel-Pressekonferenz unmissverständlich klar, dass es nicht reicht, rassistische Gewalttaten zu den Akten zu legen. Der Titel des Theaterprojekts „Kein Schlussstrich!“ ruft damit deutlich zur nachhaltigen Auseinandersetzung mit rechter Gewalt und Rassismus auf.
Die Philip Morris GmbH hat das bundesweite Theaterprojekt „Kein Schlussstrich!“ als zehnten Gewinner des Kulturförderpreises The Power of the Arts 2020 bekanntgegeben. Die Jury (Foto) wählte die Gewinnerprojekte aus 130 Einreichungen. Zur Wahl für das Theaterprojekt sagte Elfriede Buben, Leiterin Corporate Responsibility bei der Philip Morris GmbH: „Die Idee hinter „The Power of the Arts“ war es von Anfang an, Kulturförderung mit gesellschaftlichen und politischen Anliegen für eine offenere Gesellschaft zu verbinden. Das Projekt „Kein Schlussstrich! Ein bundesweites Theaterprojekt zum NSU-Komplex“ ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel für Engagement in einer Zeit voller gesellschaftlicher Umbrüche“.
Zu den teilnehmenden Institutionen des bundesweiten Theaterprojekts zählen: ASA FF e.V. in Chemnitz, Theater Chemnitz, Dietrich-Keuning-Haus Dortmund, Kampnagel Hamburg, Theater Heilbronn, JenaKultur, Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena (in Trägerschaft der Amadeu Antonio Stiftung), Theaterhaus Jena, Staatstheater Kassel, Schauspiel Köln, Staatstheater Nürnberg, Theater Plauen-Zwickau, Volkstheater Rostock, Theater Rudolstadt-Eisenach und das Deutsche Nationaltheater Weimar.