„Die Guten und die Toten“ von Kim Koplin: Die Säge will sägen
Deutsche Thriller sind verkopft und miesepetrig? In „Die Guten und die Toten“ geht Kim Koplin mit einer bewährten Allzweckwaffe dagegen vor.
„Die Guten und die Toten“ von Kim Koplin ist unser Krimitipp der Woche.
Da freut man sich auf einen chilligen Tag auf einem Parkdeck in Berlin-Charlottenburg, bisschen Leiche zersägen – und plötzlich tauchen zwei Revolverschnauzen aus Marseille auf. Autorin Kim Koplin, die eigentlich gar nicht so heißt, hat ihren Berlin-Thriller bis dahin schon so hochgepitcht, dass man ahnt: Hier wird gleich die Motorsäge geschwungen! In feinster Coen-Brüder-Manier geht es blutiger als nötig zur Sache. Wie konnte es für ein paar sympathische Loser nur so weit kommen?
Saad, der eigentlich gar nicht so heißt, schiebt Nachtschichten in der Pförtnerloge im räudigsten Parkhaus Berlins. Schranke auf, Schranke zu, Schnauze halten. Und mit Mohammed ganz oben auf dem Parkdeckdach entspannt abhängen, wenn der dort seine Cannabis-Plantage wässert. Ansonsten: Wegducken und wenigstens noch eine Woche so sauber bleiben wie die Sneaker von Kanye West. Dann hat er das unbefristete Bleiberecht und somit ein Problem weniger. Mit seiner fünfjährigen Tochter Leila haust Saad im dritten Hinterhof im Wedding. Noch gaukelt er ihr ein Leben aus lauter Lügen vor, doch irgendwann wird er ihr erzählen müssen, dass Mama damals nicht in Damaskus verunglückt ist und ihnen immer noch Gefahr droht. Als sie nachts auf der Straße von ein paar brunzdummen Dumpfbacken angepöbelt werden, biegt zufällig Kommissar-Anwärterin Nihal Khigarin um die Ecke. Endlich kann die ihre Boxskills mal ausprobieren: Seitwärtshaken, Links-rechts auf den Brustkorb. Und natürlich werden sie sich bald wieder begegnen, denn Kim Koplin lässt zwischen Saad und Nihal die Funken sprühen, während beide die krummen Wege eines korrupten Politikers kreuzen.
Zugekokst am Steuer, Nutte auf dem Beifahrersitz und ein Toter im Kofferraum
Staatssekretär Barsch zieht sich derweil Lines vom Display des Diensthandys, nutzt seine Connections für schmutzige Deals mit den Saudis und trifft Waffenschieber Müller im Kroatengrill am Bellevue. Peinlich wird’s, als er mit seiner Luxuskarosse einen Unfall baut: zugekokst am Steuer, Nutte auf dem Beifahrersitz und ein Toter im Kofferraum. Da stellt auch die Berliner Polizei ein paar Fragen mehr. Nihal Khigarin hat bei der Vernehmung ein Problem mit ihrer Beherrschung, denn sie ist ohnehin genervt, seit sich ihr Bruder bei ihr eingenistet hat: Dauernd trippeln seine blonden Quietsche-Girlies ohne Schlüppi durch die Wohnung, und für die Miete reicht er keine Kohle rüber. Nihal hängt sich an den Fall, und die Spur des Toten führt ausgerechnet zu dem Parkhaus, in dem Saad arbeitet …
„Die Guten und die Toten“ von Kim Koplin punktet mit grotesken Situationen, knochentrockenem Humor und einem souverän lockeren Sound
Mohammed bekommt logistische Probleme bei der Leichenentsorgung, Nihal spürt eine Beretta an der Schläfe, und so manchen geht die Luft aus wie einem angestochenen Autoreifen. Der Puls: Highspeed Hundertachtzig. Der April: eine Bitch – tagsüber bauchfrei, nachts arschkalt. Der Geruch: Pisse, toter Fisch und nasser Hund. Das Ende: Hardcore – aber auch happy? Groteske Situationen, knochentrockener Humor und souverän lockerer Sound: Kim Koplin lässt genüsslich die Motorsäge aufheulen und schwingt sie einmal quer durch die allzu verkopften Thrillerstandards …
„Die Guten und die Toten“ von Kim Koplin ist unser Krimitipp der Woche. Zuletzt haben wir an dieser Stelle „Lemmings Blues“ von Stefan Slupetzky vorgestellt.