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„Kriegsmädchen“: Deplazierter Opfervergleich

Kriegsmädchen Sechs Frauen drei Kriege ein Schicksal Das erste ARD-Mediathek
„Kriegsmädchen – Sechs Frauen – drei Kriege – ein Schicksal“ heißt die Dokuserie, die ab dem 13. 6. in der ARD-Mediathek zum Abruf bereitsteht. (Foto: © SR/fugee films)

Die Dokuserie „Kriegsmädchen“ im Ersten und in der ARD-Mediathek lässt traumatisierte Mädchen und Frauen aus Kriegsgebieten zu Wort kommen. Zwischendurch dürfen Großmütter aus Nazideutschland Vergleiche anstellen.

„Kriegsmädchen“: Wenn Kinder fliehen müssen

Drei Halbstünder mit dem Titel „Kriegsmädchen – Sechs Frauen – drei Kriege – ein Schicksal“ (ab sofort in der ARD-Mediathek) bilden eine kleine Dokuserie über Frauen, die im Krieg aufwuchsen, Verluste erleiden mussten und durchkamen. Was nahmen sie mit auf den Weg? Da ist einmal Wasam, die mit ihrer kleinen Schwester vor dem Islamischen Staat in Syrien zunächst in die Türkei und dann nach Deutschland floh. Notizzettel mit bonimischen Formeln hängen an der Wand der Wohnung, während sie von ihrer Flucht erzählt, ihrer Unterstützung durch die Schwester, während diese sie schminkt. Es sind nur kurze, aber intensive Momente mit den Frauen, die die Kamera einfängt, dann kommt schon die nächste dran: Alisa ist in Sarajewo geboren und floh mit ihren Eltern, als sie knapp drei Jahre alt war, vor dem Krieg in Bosnien nach Deutschland. Auch ihre Freundin Nermina, die mit Fünf aus der Ukraine geflohen ist, erzählt in der Dokuserie von ihrer Flucht und dem Ankommen in Deutschland.

Dass in der Serie „Kriegsmädchen“ auch Ingrid berichtet, wie sie ihren Vater, einen Wehrmachtssoldaten im Zweiten Weltkrieg, bei seinem Heimaturlaub nicht mehr akzeptierte, mag hingegen gar nicht einleuchten: Sicher, auch ihre Geschichte ist erzählenswert, aber Deutsche als Opfer eines Krieges, den sie angeblich nicht wollten und der nur durch die Entscheidung eines Diktators über sie kam – das passt gerade in einer Doku über Opfer von Kriegen der jüngeren Zeit absolut gar nicht. Carola wird später im Film in einem Luftschutzbunker sitzend erzählen, wie sie als Kind immer Schutz suchen musste, wenn die Allierten Angriffe flogen. Dann berichtet sie vom „großen Angriff am 5. Oktober 1944 auf Saarbrücken“. Warum werden diese Rückblicke auf den Zweiten Weltkrieg herangezogen, um Empathie für Menschen zu wecken, die aktuell auf der Flucht sind und in Deutschland einen Aufenthaltsstatus ereichen möchten? Einersseits wird es dem Schicksal von Ingrid und Carola nicht gerecht, die traumatische Erlebnisse in ihrer Kindheit erleiden mussten. Andererseits will die Dokumentation mit diesen Beiträgen nur eines zeigen: wie sehr die deutsche Zivilbevölkerung unter der absolut notwendigen Niederlage des Krieges leiden musste. Im Gegenschnitt mit Menschen, die in heutiger Zeit vor Kriegen fliehen, ist das politisch wie auch menschlich gesehen schlicht zynisch.

Empathie heute für Geflüchtete sollte ohne Exkurs ins Nazideutschland und seine Niederlage da sein, wenn Nermina über Bosnien berichtet; sie kam nach dem Krieg von 1992 aus ihrer Heimat nach Deutschland und reist jetzt im Rahmen der Doku zu ihren Eltern nach Bosnien. Leen schließlich berichtet vom Krieg in Syrien, der ausbrach, als sie drei Jahre alt war. Nachdem ihre Vater ermordet wurde, floh 2018 ihre Mutter mit Leen und ihrer Schwester zunächst nach Algerien und von da nach Marokko, von da wiederum nach Spanien und dann nach Frankreich. Im Flüchtlingslager in Deutschland kann sie ihren Geburtstag nicht feiern, schlicht weil der Platz in der Unterkunft dafür nicht vorhanden ist. Leen hat es unter diesen widrigen Umständen immerhin geschaft, aufs Gymnasium gehen zu können.

Entwurzelung, Traumata und schwere Verluste, und doch der Mut zu einem Neuanfang und die Hoffnung auf eine Zukunft: „Kriegsmädchen – Sechs Frauen – drei Kriege – ein Schicksal“ zeigt, was Krieg anrichtet und wie Frauen Resilienz aufbauen. Das immerhin macht die Miniserie sehenswert.

 

 

 

 

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