„Künstliche Beziehungen“ von Nathan Devers
In „Künstliche Beziehungen“ von Nathan Devers wird der Avatar eines Gescheiterten zum digitalen Star – aber was hat Serge Gainsbourg damit zu tun?
„Künstliche Beziehungen“ von Nathan Devers ist unsere Buchempfehlung der Woche.
Wo bleibt eigentlich dieses Metaversum, das uns Mark Zuckerberg bereits vor Jahren versprochen hat? Wann werden wir endlich durch den virtuellen Supermarkt spazieren und virtuelle Dosensuppe in einen virtuellen Einkaufswagen legen? In Nathan Devers’ zweitem Roman ist eine Onlineplattform, die die ganze Welt detailgetreu abbildet, Realität. Selbst digitale Kopien von toten Celebrities wie Serge Gainsbourg kommen hier auf einen Drink vorbei. Für den erfolglosen Musiker und Gainsbourg-Fan Julien Libérat ist diese „Antiwelt“ eine zweite Chance: Sein Alter Ego Vangel wird dank seiner holprigen Gedichte überraschend zum Megastar. Damit zieht er jedoch auch die Aufmerksamkeit des Antiwelt-Erschaffers Adrien Sterner auf sich, und der sieht die plötzliche Prominenz eines Niemands überhaupt nicht gern …
Nathan Devers ist 1997 geboren, doch trotz seiner Jugend geht es in seinem zweiten Roman nicht wirklich um das Internet, wie wir es kennen – die sozialen Medien kommen nur am Rande vor, TikTok wird nicht einmal erwähnt. Stattdessen stellt der Autor Fragen nach dem Verhältnis von Kunst und Wirklichkeit, Ideal und Alltag und dem Wesen des Erfolgs. Seine Satire ist oft sehr spritzig zu lesen, etwa wenn Vangel einen Anschlag auf den virtuellen Präsidenten der USA verübt, hat aber nur bedingtes Interesse daran, was die globale Vernetzung mit uns allen macht. Dass ein virtuelles Universum wie die Antiwelt technisch noch Lichtjahre entfernt ist, spielt insofern kaum eine Rolle – immerhin scheint Mark Zuckerberg das mittlerweile auch gemerkt zu haben.
Hat es Nathan Devers mit „Künstliche Beziehungen“ auf unsere Liste der besten Bücher im Oktober 2024 geschafft?