Das große Abschiednehmen: „Inside Story“ von Martin Amis
Mit seinem autobiografischen Roman „Inside Story“ beweist Martin Amis: Wenn es darauf ankommt, kann er sensibel und liebevoll schreiben.
Bereits auf den ersten Seiten seines autobiografischen Romans „Inside Story“ behauptet Martin Amis, dass ihm die Lektoren und Rezensenten leidtäten, die „das ganze Ding in einem Rutsch durchlesen müssen“. Abgesehen davon, dass sich Amis‘ neuer Schinken durchaus flüssig runterlesen lässt, ist das natürlich die kokette Aussage eines eitlen Autors, der sich seiner Bedeutung als Schriftsteller seit über 50 Jahren bewusst ist. Die Folge sind oft Überfliegerstatements und flapsige Sprüche zu politischen Ereignissen, die selbst beim Thema Donald Trump wie runtergebetet wirken.
Aber: Amis bringt seine Leser und Leserinnen auch zum Lachen. Ob das Thema nun der eigene (oft nicht stattfindende) Sex ist oder das Ablästern über Kolleginnen oder Politiker: Amis packt Selbstironie genauso gut in Literatur wie Kübel voller Sarkasmus. „Inside Story“ weiß jedoch in anderer Hinsicht noch viel mehr zu überzeugen: im Umgang mit dem langsamen Verschwinden des Geistes in der Demenz und mit dem Tod etwa durch Krebs. Denn Amis verabschiedet in diesem autobiografischen Roman zwei Freunde: den Schriftsteller Saul Bellow und seinen Jugendfreund Christopher Hitchens. Wie Amis diese beiden, aber auch seinen Vater würdigt, wie tief er sie in den ganzen Roman über Jahrzehnte eingewebt hat, das ist große Klasse. So klatschsüchtig und verliebt ins Namedropping er auch sonst oft wirkt, so sensibel und liebevoll kann Amis schreiben, wenn es darauf ankommt.
Mit „Inside Story“ hat es Martin Amis auf unsere Liste der besten Bücher im Februar 2023 geschafft.