„Powerplay“: Ministerpräsidentin Gro Brundtland im Machtkampf
Machtkämpfe in der Politik als Reinzieher: Die Serie „Powerplay – Smart Girls go for President“ geht im NDR und in der ARD-Mediathek in die zweite Staffel und ist ein absoluter Tipp!
Schon die erste Staffel der norwegischen Serie „Powerplay – Smart Girls go for President“ konnte begeistern. Jetzt kommt Staffel 2 der Politserie, die zwischen Satire und Drama so perfekt zu wechseln vermag, im NDR und kann wie auch die erste Staffel in der ARD-Mediathek gestreamt werden. Sie handelt – wenn auch fiktional stark angereichert – von der politischen Karriere der norwegischen Ärztin Gro Harlem Brundtland, die 1974 zunächst Umweltministerin wird und fünf Jahre später dann Ministerpräsidentin Norgwegens. Dabei zeigt die Serie auf, wie schnell Gro in ihren Ämtern dazulernt und wie sehr ihre männlichen Genossen in der sozialdemokratischen Arbeiterpartei sie unterschätzen und trotz aller Widerstände untergehen.
Wie kann man diese Politserie beschreiben? Vor einem dreiviertel Jahr ging Kollege Felix Eisenreich anlässlich des Starts der ersten Staffel von „Powerplay – Smart Girls go for President“ vor allem auf die bis heute gleichen, immer wiederkehrenden Ränke, Mobbingaktionen und Machtspiele in der Politik ein. Oft, ja meistens kann man die Serie als Satire sehen, doch in der zweiten Staffel geht sie als wirklich berührendes Drama los: Im Jahr 1981 – die Umweltministerin Gro Harlem Brundtland (Kathrine Thorborg Johansen („Asphalt Burning“, „Ragnarök“) ist gerade Ministerpräsidentin geworden und soll vereidigt werden – begeben sich Männer des indigenen Volkes der Samen in Oslo in den Hungerstreik, weil das norwegische Parlament das Alta-Staudamm-Projekt beschlossen hat, bei dessen Umsetzungen ganze Dörfer der Samen geflutet werden sollen. Als auch ncoh die Frauen des indigenen Volkstammes nach Oslo reisen und die Konferenztäume der Ministerpräsidentin besetzen, kommt es zur Eskalation.
Die Serie zeigt hier ohne viel Mitgefühl für die Politikerin, wie sehr sich Gro Harlem Brundtland bereits die Tricks und Machtspielchen der männlichen Politiker angeeignet hat, um Erfolg zu haben. Sie lässt die Samen mitten in der Nacht von der Polizei aus Oslo entfernen. Doch nicht nur diese Aktion der früheren Umweltministerin (!) zeigt eine Frau, die genau weiß, was sie will, in Folge 2 der neuen Staffel wird das noch viel deutlicher. Jetzt ist die Serie wieder als Politsatire mit tiefernster Grundierung angelegt. Die Folge spielt auf dem Parteitag der Arbeiterpartei, bei dem der Sozialismus im Programm als Ziel abgeschafft und als „Prozess“ neu definiert wird – die norwegische Linke entsorgt ihre anitkapitalistischen Ziel; die SPD hatte das bereits 1959 mit dem Godesberger Programm getan. Wie der Sozialismus hier in die Mülltonne getreten wird, zeigt die Serie mit rabenschwarzem Humor.
„Powerplay“: Machtkämpfe überall. Die Meisterin aber heißt Gro Harlem Brundtland
Wie Gro ihren Pareivorsitzenden Reiulf Steen (Jan Gunnar Røise) abserviert, ebenfalls. Diese Folge der Serie besticht zudem durch filmische Kniffe. Nicht nur, dass in bestimmten Momenten ganz kurz die vierte Wand durchbrochen wird; an einer Stelle unterbrechen alle beteiligten Akteure ihr Spiel und dieskutieren, ob ihre Charktere denn auch richtig rüberkommen, ob sie am Spiel vieleicht was ändern sollten, und versuchen sich gegenseitig zu verbessern. Außerdem wird immer wieder mal die logische Basis der Wirklichkeit außer Kraft gesetzt: Weil der Ehrenvorsitzende der Arbeiterpartei im Krankenhaus liegt, geht Gro Harlem Brundtlandmal mal eben durch die Flure des Tagungshotels, in dem der Parteitag stattfindet, und befindet sich umehend im Reichskrankenhaus. Überhaupt ist die ganze Folge mit ihrer Tür-auf-Tür-zu-Dramaturgie angelegt wie eine Komödie auf Theaterbrettern, nur: Hier wird keine Komödie gespielt, sondern ein Großangriff auf den Pareivorsitzenden Reiulf Steen gefahren, bis der zermürbt seinen Rücktritt einreicht und die Ministerpräsidentin selbst den Posten übernehmen kann. Und: Fast alle offiziellen Statements und Reden werden aus altem, echtem TV-Material eingespielt. Dieses Material aber wird durch die gespielten Szenen hinter den Kulissen nicht einfach nur erklärt, sondern oft sogar konterkariert. Wunderbar gut angelegte Charaktere, rabenschwarzer Humor, die norwegische Politik der 70er und 80er Jahre kurzweilig erzählt, ein hervorragender Score und eine so noch nie gesehene TV-Ästethik: „Powerplay – Smart Girls go for President“ hat einen seltsamen Titel, doch die Serie ist bestechend, ihre erste Staffel hat letztes Jahr zu Recht bei den Canneseries den Hauptpreis abgeräumt.