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Rainald Grebe im Interview: „Und dann stand Alligatoah plötzlich da!“

Rainald Grebe Waldbühne Hallelujah Berlin
Rainald Grebe wird Ende Julie mit großem Aufgebot die Waldbühne in Berlin bespielen. U. a. mit dabei: Bodo Wartke, René Marik, Anna Mateur, Alligatoah. (Foto: Gesa Simons)

Musikkabarettist Rainald Grebe bespielt Ende Juli die Waldbühne in Berlin - ein Riesenspektakel und vor 15 000 Gästen. Und Grebe ist Wiederholungstäter, denn er macht das nicht zum ersten Mal. Auch wenn er diesmal ganze zwei Jahre warten musste.

Rainald Grebe ist ein Workaholic. Deshalb wird der Musikkabarettist und Liedermacher am 29. 7. auch wieder die Berliner Waldbühne bespielen. Dabei ist unter anderem auch Alligatoah.

Herr Grebe, auch wenn wir gleich über Ihr geplantes Open-Air-Spektakel auf dem Festivalgelände der Berliner Waldbühne sprechen, zuerst die viel wichtigere Frage: Wie geht es Ihnen?
Rainald Grebe: So lala, ich bin ja langzeitkrank. Es ist nach wie vor schwierig, weil ich sehr müde bin und nicht so ganz bei Kräften.

Ich habe ihre Autobiografie gelesen, in der sie minutiös einen Krankenbericht aus der Reha abliefern, danach aber kippen Sie immer weg ins Fabulieren und erzählen mal glaubhaft, mal offensichtlich schwindelnd aus Ihrem Leben. Und wenn Sie zu aktiv werden, stoppt Sie sofort die Ärzteschaft. Wie ist es denn jetzt im Leben außerhalb der Reha, wie agieren Sie ohne direkten Kontakt mit so vielen Ärzten? Fehlt Ihnen jetzt ein Widerpart, jemand, der Sie stoppt?
Grebe: Es sagt mir ja keiner Stop. Das Ding ist, dass die Schulärzte von der Charité keine Tipps geben, sondern Tabletten. Das ist anscheinend abgesprochen oder so ihre Art. Im Gegenteil, alle Ärzte – auch die Naturheilkundler – haben mir gesagt: Arbeiten ist gut. Jetzt ist die Frage: Wie viel? Gibt es da ne Grenze? Ich bin ja ein Workaholic, und bei dieser Frage bin ich immer noch nicht weiter. Es ist so drin in mir, dass ich arbeite! Und ich kann ja auch meistens arbeiten, bis auf die Müdigkeit, und ich hab da noch keinen Königsweg gefunden.

Das Open Air auf der Waldbühne soll ja das gewohnt große Grebe-Spektakel werden. Werden Sie ihren Gästen auch mit Textzeilen kommen wie „Der Tod wippt sachte mit der Hüfte“?
Rainald Grebe: Ja klar! Das Lied wird dabei sein! Ich singe, was so anliegt.

Rainald Grebe solo.

Der Schlagzeuger Ihrer Band Kapelle der Versöhnung, ist 2021 gestorben. Sie und die restlichen Bandmitglieder haben überlegt, die Kapelle aufzulösen, zunächst aber wollten Sie ohne Schlagzeuger weiterspielen.
Grebe: Nee, das stimmt nicht, wir wollten einfach aufhören. Und wir hatten auch Schluss gemacht. Dann aber gab es den Wunsch der drei Übriggebliebenen, weiterzumachen. Und der Titel der Tour, die ja „Die Band“ heißt, benennt genau dieses Problem. Wir haben auch einen neuen Schlagzeuger und müssen uns jetzt zusammenfinden.

Wenn man sich anschaut, wer alles auf der Waldbühne stehen wird: Alligatoah wird spielen …
Grebe: Ein großer Star, ein Hallenfüller! Ich wusste vorher gar nicht, dass er die großen Bühnen füllt und auf YouTube unheimlich präsent ist. Der ist ja 20 Jahre jünger als ich und macht Rap, aber sehr artifiziell.

Der Liedermacher Bodo Wartke; die exzentrische Sängerin Anna Mateur oder der Puppenspieler René Marik, die Singing Shrinks – das ist der Chor der Charité – oder die Bläser der Sogenannten Anarchistischen Musikwirtschaft: Das ist ein unheimlich breitgefächertes Spektrum!
Rainald Grebe: Fil kommt noch, der ist ja auch bekannt, dann kommen noch (muss lachen) die Jagdbläser aus dem Wald, der Turnerbund: da sind noch einige in den Startlöchern.

Wie kommt denn eine solch bunte Mischung zustande?
Grebe: Das kommt wie das Leben zustande: Unser neuer Schlagzeuger zum Beispiel schlägt auch bei Alligatoah das Schlagzeug. Er ist somit auf ganz großen Bühnen unterwegs und auf unseren kleineren. Und so stand Alligatoah plötzlich auch da und wollte mitmachen. Und die Jagdbläser sind die original Förster und Jäger aus Brandenburg.

Kommen die aus der Region, wo Sie den Mischwald aufforsten?
Grebe: Genau! Und der zuständige Förster ist ebenfalls bei den Jagdbläsern dabei. Der beaufsichtigt die Aufforstung. Das ist alles organisch zustande gekommen. Insgesamt ist es meine Mischung, die Mischung, die ich in meinem Leben erlebt habe und die ich kenne.

Ich habe sie wiederholt live erlebt, Sie selbst sind ja auch auf kleinen Bühnen eine exzessive Rampensau. Jetzt steigen Sie innerhalb von zwölf Jahren zum dritten Mal auf eine so große Bühne wie die Waldbühne, wo auch Prince schon auftrat. Wie viel Zucker gibt das dem Affen?
Grebe: Da kommt aber weit vor dem Konzert schon sehr viel: Ich mache jetzt drei Monate nichts anderes! Das Netzwerk von Leuten zusammenzuhalten, sie zu befruchten und alles dafür zu tun, dass es stimmt: das ist schon sehr viel Arbeit. Manchmal kann ich nur einen halben Tag arbeiten, dann muss ich schlafen gehen. Und wenn man normalerweise vor 200 bis 500 Leuten spielt, was ja auch schon nicht schlecht ist, und dann plötzlich vor so vielen: Das macht was in mir, das macht was aus!

Genau, und was macht das in Ihnen, dass Sie bereit sind, so viel zu investieren?
Grebe: Es ist wirklich die Tatsache, dass wir in einem Stadion auftreten dürfen, in dem sonst die Superstars spielen. (lacht kurz) Das ist so eine unheimliche Freude. Man wird dort mit Leinwand übertragen!

Obwohl sie in ganz Deutschland eine treue Fangemeinde haben: So groß wie in Berlin ist sie nirgends.
Das hat was mit dem Lied „Brandenburg“ zu tun und damit, dass ich da wohne. Berlin, Brandenburg: ein solches Konzert kann nur lokal stattfinden.


2015 in der Wuhlheide beim großen Open-Air-Spektakel: Rainsld Grebe singt „Brandenburg“.

Hat es auch was mit dem Lied „Prenzlauer Berg“ zu tun, Ihrem Bashing des ewigen Szeneviertels?

Grebe: Marginal. Ich glaube, die merken schon, dass ich hier wohne, und zwar länger schon. Mit der Fläche, wo ich bin, und Brandenburg sowie Berlin – da habe ich ja die Lieder geschrieben – das ist schon alles stimmig so. Wir touren nämlich nicht ins nächste Stadion, sondern spielen nur da.

Sie leisten sich den Luxus der regionalen Gigantomanie.
Grebe: Genau das.

Schauen wir noch ein kleines bisschen auf das Line-up: Bodo Wartke feilt am Liedgut, bis alles perfekt ist. Anna Mateur ist musikalisch perfekt und auf der Bühne eine komplett Wilde. Wie ordnen Sie sich da ein?
Grebe: Mein Ding ist das geordnete Chaos. Ich bereite Sachen vor, sehr genau auch, aber eben nicht zu genau.

Widerspruch: Wenn man ihre Autobiografie liest und nicht bei jedem zweiten Satz denkt, dass Sie schon wieder flunkern, dann haben Sie das vorpubertäre Leben eines sehr peniblen Kindes geführt, ich erinnere nur an den Hobbyornitologen oder an den Statistik führenden Schüler, der immer der Beste sein will.
Grebe: (lacht) Dass ich in einem wissenschaftlichen Haushalt aufgewachsen bin, habe ich natürlich inhaliert. Und die andere Seite kenne ich jetzt auch ein bisschen mit der Kunst.

Was hat Ihnen diese Basis als Künstler gebracht?
Rainald Grebe: Ich fand immer Künstler wie Gottfried Benn interessant: dass Ärzte plötzlich schreiben. Dass es oft beides gibt, die Kunst und den Beruf. Und Berlin ist ja eine Stadt voller Lebenskünstler, ich fand es aber immer gut, wenn auch ein Handwerk dabei ist oder Wissenschaft. Vielleicht bin ich etwas konservativ mit dem Gedanken, dass man sich als Künstler rückversichert.

Als Planer wissen Sie sicher schon ganz genau, wie das Konzert auf der Waldbühne werden soll.
Grebe: Es war ja schon vor zwei Jahren zu meinem 50. Geburtstag als große Geburtstagsfeier geplant, aber dann kam Corona dazwischen. Jetzt kommt die Krankheit dazu, jetzt ist das egal, was ist da schon der Unterschied zwischen 50 und 52. In Mexiko wird am Dia de Muertos, dem Tag der Toten ein Tag gefeiert, an dem der Tod und das Leben zusammengehen. Was da jetzt auf der Waldbühne passiert, wird sich zeigen – alles geht ineinander.

Was werden Sie nach dem Konzert tun und planen?
Grebe: Zunächst werde ich schlafen. Den August habe ich frei. Vielleicht werde ich schreiben, eine neue Tour, ein neues Programm ist auch geplant. Aber zuallererst werde ich meine Gesundheit pflegen und alles etwas ruhiger angehen.

Interview: Jürgen Wittner

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