Verbindung kann nicht hergestellt werden
Samanta Schweblin beleuchtet mit Hackern, Voyeurismus und Vereinsamung die Schattenseiten virtueller Beziehungen – und doch ist „Hundert Augen“ keine plumpe Dystopie.
Wie in den besten Science-Fiction-Büchern ist die Technologie, anhand derer die argentinische Autorin Samanta Schweblin sich mit sozialen Beziehungen im Internet-Zeitalter auseinandersetzt, gerade plausibel genug. Kentukis: kleine Stofftiere mit integrierten Kameras, in unzähligen Formen, von Pandas und Krähen bis hin zu Drachen, auf Rollen und ohne die Fähigkeit zu sprechen. Zum Verkauf stehen zum einen die Kentukis, zum anderen die Zugangscodes, mit denen man sich in den Körper des jeweiligen Plüschtiers einwählen kann. Schweblin beleuchtet verschiedene Figuren und ihre durch die Kentukis vermittelten Verhältnisse: Ihre Beweggründe, sich Kentukis zu kaufen oder aber durch sie Einlass in das Leben anderer zu gewinnen, sind vielfältig – so wie die, sich auf Instagram oder Twitter anzumelden –, was dem Roman zugutekommt. Natürlich beleuchtet sie mit Hackern, Voyeurismus und Vereinsamung die Schattenseiten virtueller Beziehungen, und doch ist „Hundert Augen“ keine plumpe Dystopie. Samanta Schweblin versteckt den Schrecken nicht in der nahezu fantastischen Technologie. Sie entdeckt ihn in Verhaltensmustern, die längst Gegenwart sind.
Mit „Hundert Augen“ hat es Samanta Schweblin auf unsere Liste der besten Bücher im November 2020 geschafft.