Von Scheitern und Triumph: Die Rock-Alben der Woche
Helgen singen vom Scheitern, The Psychedelic Furs gelingt das Comeback und Daniel Blumberg kommt endlich in seinem eigenen Sound an. Die Alben der Woche.
Wie kommt’s, dass Musiker*innen im Allgemeinen so gerne vom Scheitern singen? Nachdem die letzte Ausgabe der Alben der Woche alte Legenden wie The Pretenders und Boris mit gelungenen Alterswerken gefeaturet hat, ist diesmal mit The Psychedelic Furs nur eine alte Band mit dabei, die allerdings statt eines Alterswerks ihr Comeback versuchen. Dass das gelingt, liegt nicht nur an den Songs, sondern auch an dem guten Willen, den man der Band durch Nostalgie und einem von Soundtrack-Featuren untermauerten Legendensatatus zugesteht – und natürlich an der Stimme von Sänger Richard Butler.
Comebacks sind ein gefährliches Unterfangen, und auch die jüngeren Interpreten dieser Ausgabe der Alben der Woche gehen Risiken ein: Daniel Blumberg wagt gemeinsam mit Musiker*innen aus dem Londoner Café Oto einen Singer/Songwriter-Entwurf, der mit freier Improvisation durchsetzt ist. So kommt Blumberg endlich in seinem ganz und gar eigenen Sound an, der auch jene überzeugen dürfte, die Singer/Songwriter*innen als Liedermacher*innen schmäht.
Der 60s-Pop-Aficionado Alex Izenberg überkommt die deutlichen Referenzen – Harry Nilsson ganz vorneweg – indem er seinem üppigen Psychedelia-Sound mit unerwarteten Wendungen aufbricht, und Helgen hadern in dieser Ausgabe wohl am meisten mit den Unsicherheiten. Doch wie schön ist es, dass ihr Indiepop so gar kein Testosteron verspritzen will, sondern mehr Wert auf Witz und Verletzlichkeit legt – unsere Alben der Woche.
Daniel Blumberg: On&on
Daniel Blumberg ist angekommen. Nach so unterschiedlichen Projekten wie Cajun Dance Party, Yuck, Daniel In The Lion’s Den und Oupa hat der 30-jährige Brite vor zwei Jahren mit „Minus“ ein extrem persönliches Album unter seinem eigenen Namen veröffentlicht, auf dem er das Ende einer siebenjährigen Beziehung und einem längeren Psychiatrieaufenthalt verhandelt.
Nun setzt er den eingeschlagenen Weg fort, indem er an der Seite von Musiker*innen aus dem Londoner Café Oto, einem Zentrum für experimentelle Musik, zwischen konventionellen Songstrukturen und freier Improvisation pendelt. Wer behauptet, von Singer/Songwriter-Platten generell gelangweilt zu sein, sollte diese wagemutige Behauptung unbedingt mit „On&on“ überprüfen. Denn Daniel Blumberg ist angekommen – und ausnahmsweise ist dieser Satz ausschließlich positiv gemeint.
The Psychedelic Furs: Made of Rain
In der Verfilmung von „Call me by your Name“ tanzen Elio und Oliver angetrunken zu „Love my Way“, in der Netflix-Serie „Stranger Things“ sorgt „The Ghost in you“ für dunkle Zwischentöne: Womöglich haben diese Soundtrack-Einsätze The Psychedelic Furs ermutigt, mit einem Comebackalbum nach 29 Jahren den eigenen Legendenstatus aufs Spiel zu setzen. Doch haben sie die Signale auch richtig entschlüsselt.
Statt überambitioniert an den Stellschrauben zu drehen, um irgendwie eine unpeinliche Verjüngung hinzubekommen, vertrauen sie mit „Made of Rain“ einfach darauf, dass ihr Grenzgang zwischen Postpunk und Wave wieder in die Zeit passt. Natürlich liegt es nicht zuletzt an der unverwechselbaren Stimme des inzwischen 63-jährigen Richard Butler, wenn man mit dieser Band nach all den Jahren noch immer großgestig verzweifeln möchte.
Alex Izenberg: Caravan Château
Alex Izenbergs patinierte 60s-Psychedelia lehnt ein bisschen an der Schulter seines Pop-Vorbilds Harry Nilsson. Was der US-Amerikaner dagegen ganz im Alleingang hinbekommt, ist es, seine Musik noch mit weirdem Außenseiter-Folk anzureichern – etwa so, als hätten Harry Nilsson und Daniel Johnston gemeinsam Pink Floyd gecovert, aber das Album statt auf 45 Umdrehungen pro Minute auf 33 abgespielt: Es geht um Liebe, die Suche nach Geborgenheit, und oft kippt das Wehmütige ins Albtraumhafte.
Etwa wenn das spröde stampfende „Revolution Girls“ ganz plötzlich in einem dissonanten Freakout völlig zerläuft, oder die zarte Klavierballade „Bouquets falling in the Rain“ zum Ende hin zu einem dröhnenden Postrock-Nebel mutiert. So zerschossen ist auch der Gesamteindruck, den „Caravan Château“ hinterlässt, aber Izenberg gelingt es, die vielen Ideen annähernd zu bündeln. So wird aus Scherben ein Kaleidoskop.
Helgen: Die Bredouille
Tocotronics „Kapitulation“, Die Ärzte mit ihrem „Lied vom Scheitern“ – und nun Helgen mit „Woran hat es gelegen“, in dessen Refrain Sänger Helge den Hörer*innen empfiehlt: „Lass es lieber sein/Lass es sein!“ Woran liegt es, dass deutsche Bands so gerne aufgeben? Man könnte diese Tendenz als duckmäuserisch abtun, so gar nicht dem Rock’n’Roll-Gestus entsprechend.
Oder man freut sich einfach an dem leichtfüßigen Indiepop des Trios, der so gar kein Testosteron verspritzen will, sondern mehr Wert auf Witz und Verletzlichkeit legt. Auf ihrem zweiten Album „Die Bredouille“ beschäftigen sich Helgen mit Liebe in allen Formen, mit dem Tod, mit der Umweltkatastrophe – und klingen dabei so unverkennbar wie immer.
Das Ganze Review findet ihr hier.