„Sein Garten Eden“ von Paul Harding
Bis zum Schlussakt biblischer Brutalität könnte bei „Sein Garten Eden“ von Paul Harding fast von einem fantastisch poetischen Inselurlaub gesprochen werden.
„Sein Garten Eden“ von Paul Harding ist unsere Buchempfehlung der Woche
Vor rassistischer Gewalt fliehend und nur mit ein paar Apfelbaumsamen in der Tasche, zieht es den ehemaligen Sklaven Benjamin Honey und seine irische Frau Patience 1793 auf eine kleine Insel vor der Küste von Maine. Abgeschottet und weit weg von jeder Bedrohung errichten sie dort ihr Paradies: Apple Island. Über 100 Jahre wächst die Inselgemeinschaft in Frieden weiter, bis Anfang der 1910er-Jahre ein Mann in missionarischer Mission die Insel betritt und das Interesse der staatlichen Behörden weckt. Benjamins Urkinder sollen vertrieben werden. Die Bibel-Referenzen im neuen Roman des Pulitzer-Preisträgers Paul Harding sind unübersehbar.
Der Apfel, das Paradies, die Vertreibung, und dann heißt das Buch auch noch „Sein Garten Eden“. Was fehlt, ist der Sündenfall. Das Einzige, was sich die Bewohner:innen von Apple Island zu Schulde haben kommen lassen: Sie gehören nicht zur weißen Mehrheitsgesellschaft, in die Benjamins Urururenkel im zweiten Kapitel der dreiteiligen Erzählung gerät – und wieder vertrieben wird. Denn alles, was er am Festland vorfindet, ist eine malerische Sauberkeit, die gleichermaßen er- und unterdrückt. Wie ein unromantischer Abenteuerromanautor fängt Harding in kurzen Episoden den Inselalltag ein, schweift in den Gedanken umher – die sich auch gerne mal in herausfordernden Bandwurmsätzen über ganze Seiten erstrecken – und stellt den internalisierten Rassismus und die Unmenschlichkeit eugenischer Lehre jener Zeit aus. Bis zum Schlussakt biblischer Brutalität könnte fast von einem fantastisch poetischen Inselurlaub gesprochen werden.
Mit „Sein Garten Eden“ hat es Paul Harding auf unsere Liste der besten Bücher im November 2024 geschafft.