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Fünf Männer, eine Bank – „Testo“ von Kida Khodr Ramadan in der ARD

V. li. n. re.: Die Bankräuber unter Druck: Obwohl Pepsi (Stipe Erceg) dringend Hilfe braucht, machen Keko (Kida Khodr Ramadan), Barro (Veysel Gelin) und Stulle (Frederick Lau) weiter.
V. li. n. re.: Die Bankräuber unter Druck: Obwohl Pepsi (Stipe Erceg) dringend Hilfe braucht, machen Keko (Kida Khodr Ramadan), Barro (Veysel Gelin) und Stulle (Frederick Lau) weiter. (Foto: ARD Degeto/Marco Fischer)

Nach der Knastgeschichte „Asbest“ wartet nun ein beinharter Banküberfall. Kann sich Kida Khodr Ramadan mit dieser Serie noch einmal selbst toppen?

Was Kida Khodr Ramadan anfasst, wird zu Gold. Zumindest wirkt es aktuell so. Seitdem der gebürtige Libanese mit dem Clan-Epos „4 Blocks“ bundesweit berühmt geworden ist, sich sogar Angela Merkel als Fan geoutet hat, wie der Berliner in verschiedenen Interviews berichtet, steht der Name Ramadan synonym für kompromisslose Gangstergeschichten. Egal, ob vor oder hinter der Kamera: Der Kreuzberger lässt an jedem Drehtag sein Herz am Set und fordert dies auch von allen anderen ein. Die Dokuserie „KIDA – Von Beirut nach Berlin“ fängt diese mitunter irre Besessenheit ungeschönt ein. Als vor knapp einem Jahr Ramadans Kurzserie „Asbest“ in der ARD-Mediathek an den Start gegangen ist, wurden gleich am ersten Wochenende Zugriffszahlen in Millionenhöhe bekannt gegeben – ein Rekord. Jetzt, kurz vor Start seiner nächsten ARD-Produktion „Testo“, wird „Asbest“ auch auf Netflix zum Streaming angeboten und führt dort inzwischen – man möchte fast sagen: natürlich – die Serien-Charts an.

„Testo“: Jetzt in der ARD-Mediathek streamen

Mit „Testo“ (ab 2. Februar in der ARD-Mediathek) liefert der Goldjunge Kida Khodr Ramadan gemeinsam mit Olivia Retzer nun einen beinharten, in sieben zügig erzählten Episoden unterteilten Heistfilm. Er wollte keinen „deutschen theatralischen Ingwertee-Biotomaten-Film“ machen, erklärt Ramadan – was ihm gelungen ist. Gerade weil im improvisierten Spiel ein unverwechselbarer Charme entsteht, wirken die authentische Sprache und die rohe Gewalt umso radikaler. Gemeinsam mit Frederik Lau, Stipe Erceg, Veysel Gelin und Mortel Jevete stürmt Ramadan eine Bank, nimmt sechs Geiseln und wartet auf die Polizei. Wahnsinn oder kalkuliertes Spiel?

Wer verliert die Nerven? Die Gangster Stulle (Frederick Lau, 3. v. li.) und Barro (Veysel Gelin, 2. v. li.) mit der Geisel Vanessa (Ruby O. Fee) – oder die Polizisten Schweinebacke (Ronald Zehrfeld,2. v. re.) und Billy (Nicolette Krebitz, re.)?
Wer verliert die Nerven? Die Gangster Stulle (Frederick Lau, 3. v. li.) und Barro (Veysel Gelin, 2. v. li.) mit der Geisel Vanessa (Ruby O. Fee) – oder die Polizisten Schweinebacke (Ronald Zehrfeld,2. v. re.) und Billy (Nicolette Krebitz, re.)? Foto: ARD Degeto/Marco Fischer

Dass Ramadan mit dieser Serie den Mut aufbringt, Sehgewohnheiten herauszufordern, zahlt sich aus. Natürlich erfindet er das Rad nicht neu, doch im deutschen Fernsehen eine deutsche TV-Produktion zu sehen, die so undeutsch daherkommt, ist erfrischend und zuweilen herausragend. Dies fängt schon bei der Einführung der fünf Gangstercharaktere Keko (Ramadan), Stulle (Lau), Pepsi (Erceg), Barro (Gelin) und Kongo (Jevete) an. Man mag die Tarantino-ähnliche Vorstellung des Gangsterquintetts für überzogen, für zu dick aufgetragen halten, will sie doch aber genau das sein. Eines wird gleich klar: Hier kommt hartes Genre-Entertainment – alles ist möglich.

Maskuline Macht- und Gewaltorgie

Und so werden Überwachungsaufnahmen geschickt in die ohnehin sehr lebendige Kameraführung integriert, und es braucht nur wenige Minuten, bis die Zuschauer:innen von der rasenden Energie gefangen genommen werden. Eingesperrt in der Bank, ist besonders die Gruppendynamik zwischen den so ungleichen Teams spannend herausgearbeitet: auf der einen Seite Keko und seine Kumpels, auf der anderen Seite die biederen Bankangestellten. Dennoch verpasst es die Serie, noch tiefer in die Psycho- und Machtspiele und das angedeutete Stockholm-Syndrom einer Geisel einzusteigen, konzentriert sie sich doch zunehmend auf die anschwellende Hysterie, die immer wieder in unerwartet explodierenden Gewaltexzessen mündet. Nebst der durchaus fragwürdig maskulinen Macht- und Gewaltorgie wartet die Serie allerdings auch mit zwei angenehm komischen Momenten auf, die kurz Zeit zum Durchatmen lassen. So wird klar, dass die fünf harten Typen eigentlich auch nur Söhne ihrer Mütter oder Väter ihrer Söhne sind.

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