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Shame im Interview: Shame Shame but different

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(Foto: Pooneh Ghana)

Die Londoner Postpunks von Shame entwickeln ihren Sound weiter – und gehen dafür in die Hamburger Schule.

Eddie Green bleibt cool. „Mir geht dieser Snobismus ab, wenn Musiker:innen regelrecht beleidigt auf gewisse Genrezuschreibungen reagieren“, sagt der Shame-Gitarrist. Aber ist das Quintett denn wirklich noch Postpunk? Mit ihrem Debüt „Songs of Praise“ waren sie 2018 die Vorreiter des Südlondon-Sounds, der zumindest für zwei, drei Jahre das musikalische Maß aller Dinge gewesen ist.

Auch „Drunk Tank Pink“ lässt sich da noch einsortieren, selbst wenn der Nachfolger eine radikale Zeit des Umbruchs dokumentiert: Wegen der Panikattacken von Sänger Charlie Steen müssen Konzerte abgesagt werden, er zieht sich in die Isolation zurück und schreibt introspektive Songs über Ängste und Depression, die schließlich mitten in der Pandemie erscheinen. „Natürlich sind wir auch 2023 noch Postpunk“, postuliert Green. „Vielleicht weiten wir die herkömmliche Definition, aber noch immer prägt uns so viel Musik, die ganz klar unter diesem Label läuft.“

Das eindeutige Bekenntnis überrascht: Die Songs auf „Food for Worms“ sind erstaunlich melodiös, gönnen sich Freiräume und unvorhersehbare Richtungswechsel, mit „Adderall“ und „Orchid“ sind sogar zwei Balladen im Aufgebot, und statt durchweg den Shouter zu geben, setzt Charlie Steen immer häufiger auf ergreifend brüchigen Gesang. Nicht wirklich postpunkig ist dann auch der Einfluss, den Green für „Fingers of Steel“ nennt, dieser sich ganz langsam aufbauenden Ode an die Freundschaft, bei der sich Gitarren und Klavierakkorde miteinander verzahnen: die deutschsprachige Band Blumfeld.

„Weil ich ganz okay Deutsch kann, hat mir unser Manager deren Song ,Verstärker’ zugesteckt – er wollte unbedingt wissen, worum es in dem Stück geht.“ Green gerät ins Schwärmen über das dazugehörige Album „L’état et moi“, das er als Sternstunde des 90er-Alternative-Sounds feiert. Selbst das darauf folgende Album „Old Nobody“ hat er ausgetestet, mit dem Blumfeld-Sänger Jochen Distelmeyer auch Schlager-Elemente rehabilitiert. „Ich bin schon eher Fan von Blumfelds Frühwerk“, lautet Greens diplomatischer Befund. Doch wer weiß schon heute, wie Shame die Definition des Postpunk zukünftig noch weiten werden?

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