Dialoge über das Dunkle
|Téa Obreht begeisterte die Kritik bereits mit ihrem Debüt „Die Tigerfrau“. Mit „Herzland“ haucht sie dem Westerngenre neues Leben ein.

Im Original trägt Téa Obrehts Roman den Titel „Inland“, was weniger nach Cecelia Ahern klingt als das deutsche „Herzland“. Wobei Obrehts Hauptfiguren – die Farmerin Nora und der jugendliche Outlaw Lurie – mindestens so einsam sind wie die Protagonist*innen schmalziger Liebesromane. Im US-amerikanischen Westen des ausgehenden 19. Jahrhunderts kämpfen sie sich in zwei aufeinander zusteuernden Erzählsträngen durch ein Leben der Entbehrungen, der Gesetzlosigkeit und der ständigen Konfrontation mit dem Tod.
Beide hat dieses Leben nach außen hin hart gemacht: Nora, die bei größter Dürre auf ihrer Farm in Arizona ausharrt und mit dem kläglichen Rest ihrer kleinen Familie auf den vermissten Mann sowie die im Streit fortgegangenen ältesten Söhne wartet; Lurie, der wegen Mordes gesucht wird und dessen Flucht zu einer abenteuerlichen Reise gerät. Gegen die Einsamkeit hilft nur der liebevolle Dialog mit den Toten, wobei Lurie seine Erzählung an ein Kamel namens Burke richtet und die Farmerin immer wieder zu ihrer vor langer Zeit am Hitzschlag gestorbenen Tochter spricht.
Die 35-jährige Téa Obreht, geboren in Belgrad, aufgewachsen in den USA, entlockte der internationalen Literaturkritik bereits mit ihrem Debüt „Die Tigerfrau“ (2011) den ein- oder anderen Jubelschrei. Mit „Herzland“ legt sie jetzt nach, und das Warten hat sich gelohnt: Gekonnt haucht sie dem Westerngenre neues Leben ein, wobei ihre ungewöhnlichen Hauptfiguren sie vor Schablonenhaftigkeit bewahren. Statt Macho-Cowboys und Klischee-Indianer*innen präsentiert sie zwei komplexe Persönlichkeiten samt spannender Nebenfiguren, statt romantischer Sonnenuntergänge schildert sie die ebenso lebensfeindliche wie wunderschöne Landschaft mit großer Klarheit.
Und selbst die vielen Geister und Dämonen, die durch die Geschichte wabern, haben etwas Präzises, Bodenständiges. „Herzland“ ist zugleich Western, Fantasy-, Liebes- und Abenteuerroman, es flimmert und flirrt von der ersten bis zur letzten Seite. Wer möchte, kann in Noras sogar eine feministische, in Luries eine Migrationsgeschichte erkennen. Wem das zu viel an Interpretation ist, kann die große Fabulierkunst der Téa Obreht auch einfach: genießen.
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