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Torres über „What an enormous Room“: Luft nach oben

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(Bild: Ebru Yildiz)

Eigentlich müsste Mackenzie Scott alias Torres längst in den Arenen spielen. Doch jetzt zahlt sich die verwehrte Anerkennung aus.

Mackenzie, dein Debüt als Torres ist vor zehn Jahren erschienen. Steckt in dem neuen Album „What an enormous Room“ auch eine Art Bilanzierung dieser Dekade?

Mackenzie Scott (lacht): Ich versuche, diese Aufarbeitung, so gut es geht, zu vermeiden, da ich eh die Tendenz habe, alles endlos zu zerdenken. Hätte ich das besser doch machen sollen? Was hätte ich lieber gelassen? Unterm Strich steht auf jeden Fall, dass ich sehr glücklich damit bin, wie die Dinge sich entwickelt haben.

Die durchaus wütende Vorabsingle „Collect“ weist aber auch in eine andere Richtung. Du singst „Want to know what’s next?/Colossal success“, um am Ende des Songs mantraartig zu wiederholen: „I’m here to collect“. Kritiker:innen haben deine Alben stets überschwänglich gefeiert und dir einen sehr viel größeren Erfolg vorausgesagt.

Scott: Viele Jahre habe ich versucht, diese Wut darüber, nicht genug gesehen zu werden, in einem Song zu verhandeln. Lange Zeit konnte ich das Thema nicht von mir und meinen ganz eigennützigen Wünschen lösen. Doch ich wollte die Wut universell anverwandeln und mit dem Wunsch nach Anerkennung auch die Formung einer Gemeinschaft in den Blick nehmen. Der Song soll positiv motivieren.

Während du bisher die Vergangenheit aufgearbeitet und dich mit den eigenen Verunsicherungen auseinandersetzt hast, wendest du dich jetzt verstärkt der Welt zu und betrittst sie gleich im Opener in „Happy Man’s Shoes“. Für mich wirkt das neue Album dadurch wie eine Überlebenshilfe in düsteren Zeiten.

Scott: Das war auch meine Intention. Die Welt brennt derzeit nun mal, und im Laufe der Jahre bin ich auf eine Art bei mir selbst angekommen, dass ich mir das zutraue. Natürlich sind die Verunsicherungen nicht weg, und ich fühle mich noch oft genug hilflos – aber vielleicht qualifiziert mich das ja gerade, dass ich anderen dabei helfen kann, sich aus ihrem Schmerz zu befreien. Wenn „Happy Man’s Shoes“ einen meiner guten Tage repräsentiert, offenbart ein Song wie „The Fear“ auch die andere Seite.

„Jerk into Joy“ greift den Albumtitel auf – und ist vermutlich der optimistischste Song, den du jemals veröffentlicht hast.

Scott: Bis vor kurzem hätte ich nie geglaubt, dass ich zu solch einem Stück fähig bin. Die Welt ist voller Scheiße – und trotzdem gibt es immer noch Raum für schöne Dinge.

Wie hätte die junge Mackenzie Scott reagiert, wenn sie „What an enormous Room“ vor zehn Jahren gehört hätte?

Scott: Die Platte wäre ihr nicht düster genug gewesen. (lacht) Sie hätte es verdächtig gefunden, dass sie nicht traurig ist. Im Vergleich zu meinem jüngeren Ich habe ich die alles verzehrende Angst in mir besser unter Kontrolle. Ich bin aus mir rausgekommen, weil ich liebe und echte Freundschaften geschlossen habe.

Auch in dem Song „Artificial Limits“ gibt es eine Zeile, die du wie ein Mantra wiederholst: „Anything could happen now“. Ist das gut oder schlecht?

Scott: Es ist eine Chance. Natürlich ist es schlimm, wenn wir unsere safe places verlieren. Andererseits sorgt es vielleicht auch dafür, dass wir es uns nicht zu bequem machen und uns Auseinandersetzungen stellen müssen, die wir sonst vielleicht vermieden hätten. Das kann zu ganz unerwarteten Schulterschlüssen führen.

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