Peter Plate und Ulf Sommer: „Romeo & Julia sind bedingungslos aufeinander heiß“
Im Berliner Stage Theater des Westens startet das Musical „Romeo & Julia“. kulturnews sprach mit den Machern Peter Plate und Ulf Sommer.
Herr Plate, Herr Sommer, „Romeo & Julia“ gilt als die berühmteste Liebesgeschichte der Welt. Was hat Sie gereizt, dieses Drama auf die Musicalbühne des Theaters des Westens zu bringen?
Ulf Sommer: Wir haben uns vor Jahren in das Stück verliebt, als wir das große Vergnügen hatten, in Kiel ein paar Lieder für eine Inszenierung des Stücks beizusteuern. Seitdem sind wir Dauerliebende von „ Romeo & Julia“. Es ist ja immer schwer zu beantworten, warum man etwas liebt. Ich würde das Stück auch gar nicht Tragödie nennen, sondern eher als Dramedy sehen. Das Stück ist im Grunde sehr komödiantisch, bis es gegen Ende richtig traurig wird. Diese Fallhöhe zwischen Komik und Tragik, so gut geschrieben, findet man ganz selten. Das hat uns nie losgelassen. Natürlich ist es auch die erste Liebe, diese Leidenschaft, Hormone und – jetzt wieder ganz relevant – ein Streit, der mit Toten endet. Relevanter geht es gar nicht.
Jetzt haben Sie die gesellschaftliche Dimension von „Romeo & Julia“ schon angesprochen. Das Stück kann interpretiert werden wie in „West Side Story“ von Bernstein oder wie in dem mit Actionkinoelementen aufgeladenen Film von Buz Luhrmann. Prokofiew hat gar ein ganzes Ballet geschrieben, das zum Höhepunkt seines musikalischen Schaffens wurde. Sie bleiben ja ganz nah am Text von Shakespeare. Aber wo verorten Sie sich mit Ihren Songs, mit Ihren Kompositionen?
Peter Plate: Wir spielen in der Übersetzung von Schlegel, und wir spielen in der – Anführungsstriche! – „Alten Zeit“, aber nicht in der „Guten alten Zeit“, denn die gab es ja eh nie. Wir spielen in einer nicht definierten alten Zeit. Wir haben den Schlegel-Text auch nicht vereinfacht, er ist genauso, wie er damals schon war, und im Übrigen wunder-, wunderschön. Und immer wenn gesungen wird, sind es natürlich unsere – meine – Worte. Das macht es sehr speziell. Für uns ist es von Vorteil, dass wir nicht mit dem Zeigefinger kommen, so dass die Zuschauer viel eher für sich selbst nachdenken und das Stück interpretieren. Die Fehde zwischen den beiden Familien zum Beispiel wird von Shakespeare nur behauptet, sie wird nicht hergeleitet.
Wo verorten Sie heute die Feindschaft zwischen den Familien?
Sommer: Shakespeare macht das so geschickt, Peter hat es schon angedeutet, dass er einfach gar nicht erklärt, woher der Streit kommt. Das wird auch nie geklärt, bis zum Schluss nicht. Dann gibt es am Ende die kurze Versöhnung bei der Trauerfeier, wo sich alle an die Hand nehmen, und danach geht es weiter. Wenn man das in unsere Zeit übersetzt: Es gibt so viele Kriege in der Welt, und ich bin mir sicher, dass keiner von uns die wirkliche Ursache eines dieser Kriege kennt, wo wirklich der Konflikt anfing. Wenn man das als Stück sieht, ist es absurd. Leider aber ist es im echten Leben genauso absurd.
Kommen wir zurück zur Liebe als solcher, das zentrale Thema des Stücks. Shakespeare verhandelt auch die Unbedingtheit der ersten großen Liebe im Leben der Menschen. Diese Unbedingtheit schafft die Fallhöhe für die Tragik des gesamten Stücks. Wie passt diese Tragik mit dem Tod der Liebenden in ein Musical? Ich persönlich verbinde ein Musical in der Regel mit glücklichen Ausgängen, durchaus mit Höhen und Tiefen im Ablauf der Handlung, aber nicht unbedingt mit dem Tod des gesamten Hauptpersonals.
Plate und Sommer: (lautes, anhaltendes Lachen)
Plate: Ja, na gut, unser Musical davor, „Ku’damm 56“, hat ja auch nicht das klassische Happyend. Ich glaub, wir sind vielleicht die Männer für die Problemfälle. Der Untertitel heißt zwar bei uns „Liebe ist alles“, aber eigentlich müsste es heißen: „Hormone sind alles“. Romeo und Julia sind ja ganz klar hormongesteuert. Ob die nun in 20 Jahren auch noch so übereinander herfallen würden, wissen wir nicht, denn sie sterben ja leider. Die Amme befindet sich dann in den Wechseljahren, und unser Mercutio wiederum hat auch Gefühle für Romeo: Ohne den Text von damals zu ändern, wollen wir die Geschichte schon aufs Heute beziehen. Es ist das bedingungslose Aufeinander-heiß-sein zwischen Romeo und Julia.
Sommer: Man muss ganz klar sagen: Wenn sie nicht so früh gestorben wären, dann würde man heute auch nicht von der größten Liebesgeschichte aller Zeiten reden. Das betrifft auch Filme wie „Titanic“. Immer muss jemand sterben, oder gar beide, und dann werden sie ikonisiert als das beste Liebespaar ever. Das ist wie mit Popstars, die mit 26 sterben, die sterben nie aus. Aber im Grunde ist das Ende von „Romeo & Julia“ nicht total traurig, es hat ja was Versöhnliches, es ist ja eigentlich ein bittersweet Ende.
Herr Plate, sie haben gerade erwähnt, dass Mercutio in Ihrer Inszenierung unglücklich in Romeo verliebt ist. Können Sie schon verraten, welche Auswirkungen das auf die gesamte Handlung haben wird?
Plate: Man muss sich ja mal vergegenwärtigen, dass es damals für Schwulsein, für Homosexualität gar keinen Namen gab. Wir thematisieren sein Verliebtsein nicht explizit, das wäre eine totale Überhöhung. Wir thematisieren es durch Gestik, durch ein Lied, das Mercutio singt. Wir wollen nur die eine Behauptung aufwerfen: Mercutio weiß, dass er sich immer, wenn Romeo da ist, wohl fühlt, und wenn Romeo nicht da ist, sich nicht wohl fühlt. Das finden wir so auch viel sinnlicher.
Sie versprechen uns vorab: „Es tanzen nicht nur die Hormone“. Welche Rolle werden die Kostüme und die Choreografien spielen, um diese Leidenschaft auch wirklich sinnlich darzustellen?
Sommer: Kostüme und Choreografie waren zwar nicht unsere Aufgabe, aber wir lieben alle Gewerke und wir arbeiten mit demselben Team wie bei „Ku’damm“, auch wieder mit Jonathan Huor, der die Choreografien macht. Wir proben zwar erst seit einer Woche, aber uns war von Anfang an klar, dass die ganze Inszenierung im Grunde eklektisch ist. Es spielt in der alten Zeit, es sind historisch angelegte, aber neu interpretierte Kostüme zu sehen, es ist eine Bühne, die nicht literary alt ist. Die Choreografien aber sind im Gegenzug sehr modern, sie sind richtig Pop. Es gibt ein Lied – „Halt dich an die Reichen“ –, wo wir auch Voguing drinne haben. Ich glaube, das Stück wird lustigerweise erstaunlich modern, obwohl es auch sehr klassisch ist. Dazwischen gibt es nichts, und das hat einen irren Reiz.
Zum Abschluss die Absolutheitsfrage: Was ist Liebe für Sie?
Sommer: Das ist eine so große Frage. Gemein! Ich muss überlegen, damit es etwas intelligenter klingt (aus dem Hintergrund Gelächter). Liebe kann sich ändern, Liebe ist absolut flexibel. Auch wenn man jemanden liebt, ändert sich stündlich die Liebe zu demjenigen. Sie ist wie eine Flüssigkeit, die uns alle durchdringt. Oh, das klingt schlecht. (aus dem Hintergrund noch lautere Lacher). Und das am Montagmorgen. Auf jeden Fall ist Liebe wirklich alles. Es gibt so viele Formen der Liebe, und die romantische Liebe wird gerne als die höchste Form angesehen. Ich sehe das nicht so. Wenn man jung ist, ist es das, aber inzwischen erfreue ich mich auch an freundschaftlicher Liebe wahnsinnig und finde sie so, so wichtig in meinem Leben.
Und steuert der Lacher im Hintergrund noch etwas bei?
Plate: Genau. Das Schönste am Älterwerden ist, wie sich Liebe ändert. Liebe ist einfach auch ein Fluss, und …
Sommer: (aus dem Hintergrund) Wasser hab ich gesagt, und da hast du gelacht! (beide lachen)
Das kommt aber alles in die Abschrift und wird veröffentlicht!
Plate und Sommer: (nicht enden wollendes Gelächter)
Plate: Nein, Liebe ist ein Fluss, und es gibt ja auch Lieben, die nicht geklappt haben, es gibt die unerfüllte Liebe und die bedingungslose Liebe, also: Liebe ist toll.