„Und Federn überall“ von Nava Ebrahimi

In „Und Federn überall“ schickt Nava Ebrahimi sechs Figuren in einen Geflügelschlachtbetrieb und zeigt so eindrucksvoll, wer in der postmigrantischen Gegenwart alles Federn lässt.

„Und Federn überall“ von Nava Ebrahimi ist unsere Buchempfehlung der Woche

650 000 Hühnerbrüste laufen im fiktiven Schlachtbetrieb Möllring in der Emsländer Provinz täglich übers Band. Ein Unternehmen wie ein Flaggschiff. Die Menschen aus der Region warten hier wahlweise breitbeinig in der Chefetage auf Anrufe, optimieren als Ingenieurin die Prozesse oder tasten die Brüste am Fließband nach dem „Wooden Breast“-Syndrom ab. Klare Hierarchie, eingepfercht wie im Hühnerstall. Und auch die sechs Figuren, zwischen denen Nava Ebrahimi in ihrem dritten Roman „Und Federn überall“ geschickt hin und her wechselt, kreisen allesamt um den riesigen Konzern – wenn auch ungewollt. Wie etwa der halbblinde afghanische Flüchtling und Lyriker Nassim, der nach einem Unfall mit einer Fahrradfahrerin von Möllring höchstpersönlich zur Wiedergutmachung eingeladen wird: Imagepflege in postmigrantischen Zeiten.

Unmerklich verkeilt Ebrahimi allmählich die Figuren und ihre Schicksale, während sie von ihren Geschichten erzählt. Dabei erfahren wir von der einstigen polnischen Enklave vor Ort, dem Holocaust, kaputten Familien und Fluchtgeschichten. Es geht um Macht, Klasse, Rassismus und das Patriarchat. Und plötzlich entwickelt man sogar für den sexistischen Chef so etwas wie Sympathie. Sind Ebrahimis Figuren doch alle selbst Opfer eines größeren, erbarmungslosen Systems – ein bisschen wie die Hühner.

Hat es Nava Ebrahimi mit „Und Federn überall“ auf unsere Liste der besten Bücher im November 2025 geschafft?