Van Morrison: Zum Singen geboren
Nach einigen unschönen Äußerungen konzentriert sich Van Morrison besser wieder auf seine Stärken und veröffentlicht das Doppelalbum „Latest Record Project: Vol. 1“
Was Van Morrison von der Corona-Pandemie hält, wissen wir leider. 2020 hat sich der Musiker mit Songs wie „No more Lockdown“ sehr offen positioniert – allerdings nicht gegen das Virus, sondern gegen Masken und Kontaktbeschränkungen. Gäbe es ein englisches Wort für „Querdenker“, das nordirische Urgestein würde es vielleicht längst auf seinem T-Shirt herumtragen. Morrison-Fans sitzen im Boot also gleich neben den Morrissey-Liebhaber*innen: Ihr musikalisch über allen Zweifel erhabenes Idol grantelt oft lieber bewusst kontroverses Zeug statt ins Studio zu gehen. Van Morrison scheint sich nun allerdings mit der virenbedingten Zwangspause arrangiert zu haben, denn er veröffentlicht nicht nur ein neues Projekt, sondern gleich ein Doppelalbum: „Latest Record Project: Vol. 1“. Auf 28 neuen Tracks spielt sich der Veteran durch die Genres, die ihn schon immer inspirier haben: Blues, R’n’B, Soul, Country, Rock. Gut, auf „Deadbeat Saturday Night“ macht er der Lockdown-Frustration Luft, und der Track „They own the Media“ riecht schon arg nach Verschwörungstheorie, bleibt aber vage genug, um der Aluhutfraktion keinen Zunder zu geben. Doch die meiste Zeit klingt Morrison entspannter, als man das nach den letzten Monaten erwartet hätte. Ein bisschen kann man seinen Missmut ja verstehen: Die Hälfte der Welt kennt ohnehin nur seinen Hit „Brown Eyed Girl“, aber auch viele Fans feiern bis heute vor allem „Astral Weeks“ – ein Album aus den 60ern, das er längst hinter sich gelassen hat. „Dieser Typ hat 500 Songs gemacht, vielleicht mehr, also warum geht es immer nur um dieselben zehn?“, sagt Morrison über sich selbst. „Es ist der Versuch, aus dieser Box herauszukommen.“ Also konzentriert er sich aufs Songschreiben, stürzt sich in die Gitarre, ins Klavier, ins Saxofon. Und wann immer seine Liebe zur Musik durchscheint, ist alles beim Alten. „Singing, that’s what I’m here to do/I was born, born to sing the blues”, heißt es in „Thank God for the Blues“. Und das glaubt man Van Morrison in diesen Momenten auch.