„Vermiglio“ im Kino: Tradition, Krieg und Flucht

Ein südtiroler Bergdorf im Zweiten Weltkrieg, zwei untergtauchte Desserteure und die Einheimischen. Jane Campion war begeistert von Maura Delperos intensives Drama „Vermiglio“.
In Vermiglio, einem Südtiroler Bergdorf, passiert während des ausgehenden Zweiten Weltkriegs nicht viel: Gottesdienst, Kühe melken, Kinder kriegen. Absteigend sortiert nach Relevanz. Und so hält sich auch der nach jenem Dorf benannte Film der italienischen Regisseurin Maura Delpero („Maternal“) mit überschwänglichen Plot-Highlights zurück. „Vermiglio“ läuft in den Kinos.
Delpero blickt vielmehr kühl auf das von Religion und Rollenbildern zusammengehaltene soziale Gefüge der kleinen Gemeinde. Im Zentrum: die Großfamilie um Dorflehrer und Patriarch Graziadei (Tommaso Ragno) und seine drei Töchter. Lucia (Martina Scrinzi), Graziadeis älteste Tochter, verliebt sich alsbald in den sizilianischen Deserteur Pietro (Giuseppe De Domenico, „Bang Bang Baby“), muss aber genauso schnell lernen, dass selbst die Liebe kein Ticket in Richtung Freiheit löst. Und auch Lucias Schwestern sehen sich gefangen genommen von patriarchalen Zwängen und religiöser Unterdrückung. Sich aufzulehnen ist kaum möglich, schließlich gibt es keinen zu adressierenden Täter. Vielmehr eine internalisierte Machtordnung, mit der selbst der scheinbar übermächtige Vater hadert. Und so bleibt die Rebellion eine stille und die Perspektive so grau wie das Gebirge, das sie alle einschließt.