„Wer wir sind“: Ökoaktivisten, rechter Mob und die feige Polizei
Ab sofort in der ARD-Mediathek, bald im Ersten: Die spannende und eindurchsvolle Dramaserie „Wer wir sind“ über Öko-Aktivisten im Spannungsfeld zwischen Rechtsradikalen und der Polizei.
In Halle wird illegal Giftmüll entsorgt. Die Aktivistengruppe „Red Flag Halle“ hat das rausgefunden, jetzt will sie Beweise sammeln und schleicht sich dafür heimlich nachts auf das betreffende Betriebsgelände. Bei einer Demonstration zuvor aber wird die Aktivistin Vanessa von einer Flasche am Kopf getroffen und liegt auf der Intensivstation des Krankenhauses. Die Serie „Wer wir sind“ steht ab sofort in der ARD-Mediathek, in wenigen Tagen im Ersten wird sie im Ersten ausgestrahlt.
„Wer wir sind“: Jetzt in der ARD-Mediathek, in wenigen Tagen linear im Ersten
Vorher aber hat Vanessa ihre Klassenkameradin Luise für die Gruppe rekrutiert, die am Gymnasium die Beste in Physik, vor allem aber in Chemie ist. Luise soll bei der Untersuchung der Bodenproben die Leitung übernehmen, außerdem kann sie am Gymnasium im Chemielabor ein- und ausgehen, das sie für eine erste Testreihe nutzt. Ergebnis: Die Proben gleichen denen einer Sondermülldeponie. Doch diese Erkenntnis wird davon überlagert, dass auf der Demo, bei der Vanessa schwer verletzt wurde und die Aktivisten von rechtsradikalen Hooligans angegriffen wurden. Der rechtsradikale Mob hatte zudem die eingreifende Polizei vollkommen im Griff, demütigte einzelne Polizisten, die sich hinterher wiederum an den Ökoaktivisten austobten: ein hochexplosives Gemisch.
Regisseurin Charlotte Rolfes („Frau Jordan stellt gleich“) hat die Serie „Wer wir sind“ gedreht, das Drehbuch stammt von Marianne Wendt und Christian Schiller (beide auch „Neuland“ auf Netflix). Neben Vanessa steht vor allem Lea Drinda („Der Greif“, „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“) als Luise im Mittelpunkt des Geschehens. Dass die 22-jährige Drinda eine 17-jährige spielt, fällt dabei nicht sonderlich auf, zumal sie mit Luise eine für ihr Alter reife Jugendliche spielt, die überhaupt erst Struktur und Ordnung in die Aktivistentruppe „Red Flag“ bringt. Dort hatten bisher vor allem Jungs das Sagen, die schnell zur physischen Gewalt neigen oder in wichtigen Diskussionen mit politischen Gegnern die Souveränität verlieren und dann unsachlich und angreifbar werden.
Was die Serie „Wer wir sind“ vor allem aber ausmacht, ist die genaue und liebevolle Darstellung der Beziehung zwischen den Generationen. Ob im Polizeimilieu – Luises Mutter Catrin (Franziska Weisz, „Der Schwarm“, „Tage, die es nicht gab“) ermittelt gegen „Red Flag“ und hat sich von ihrer Tochter zunehmend entfremdet – oder im Hartz-IV-Milieu – Intensivtäter Dennis kommt mit niemandem klar, weder mit seiner drogenabhängigen Mutter noch mit dem Haus des Jugendrechts, das ihn bisher vor dem Knast bewahrte: Überall gibt es eine alles überlagernde Welle der Missverständnisse und der Verwerfungen, die bis zum Ende der ersten drei gesichteten Folgen der Serie immer stärker wurde und mit Sicherheit für eine weitere Eskalation sowohl auf politischer als auch sozialer bis hin zur rein persönlichen Ebene sorgen wird. Dass diese Entwicklung alles andere als reißerisch gefilmt wurde, ist die große Stärke der Serie „Wer wir sind“.