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Wie Apsilon einen vakanten Platz im Deutschrap eingenommen hat

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(Foto: Rob Lüthje)

Seit drei Jahren erarbeitet sich Apsilon Schritt für Schritt und unbeirrbar seinen Platz in der Deutschrap-Szene. Jetzt hat er mit „Haut wie Pelz“ einen vorläufigen Höhepunkt geschaffen und platziert sich endgültig als Gegenpol zu leicht verdaulichem Viralitätsrap.

Das Zeisekino, direkt unter den Büroräumen der kulturnews gelegen, ist an diesem frühen Mittwochabend deutlich voller als sonst. Doch es ist nicht der zweite Teil vom „Joker“, der für volle Schlangen quer durch das Foyer sorgt. Stattdessen stehen die hunderten Menschen für einen Rapper da, der momentan wohl auf dem vorläufigen Höhepunkt seines Schaffens steht: Apsilon aus Berlin-Moabit hat vergangenen Freitag sein Debütalbum „Haut wie Pelz“ veröffentlicht und wird dieser Tage geradezu durch die Magazine, Instagramposts und sogar Feuilleton-Artikel getragen. Dass er aber nicht nur Kritiker:innenliebling ist, beweist ein Abend wie dieser: Einer von drei Pop Up-Stops findet heute hier in Hamburg statt, Apsilon selber hat geladen zu Austausch, Fotosessions und dem gemeinsamen Schauen der sechs Musikvideos, die im Rahmen des Albums entstanden sind.

Und genau solche Aktionen sind vermutlich neben seiner unbestreitbaren Qualität am Textblatt und den eindrücklichen Bildern, die er imstande zu schaffen ist, Gründe für seinen momentanen Status in der Deutschrapszene. Es ist nicht das erste Mal, dass Apsilon seine Musik raus aus den Playlists und hinaus auf die Straßen bringt und sich somit nahbarer macht als ein Großteil seiner Szenekolleg:innen. Schon recht zu Beginn seiner Ende 2021 gestarteten Karriere hat er in seinem Heimatbezirk Moabit den Rooftop vom Aktionsraum Moabit bespielt, einige Zeit später noch größer aufgezogen die kostenfreie Spendensammel-Tour mit Wa22ermann und nochmal etwas darauf das nächste Benefiz-Konzert, diesmal mit Paula Hartmann.  In einem Genre, dass mit Blockpartys gestartet ist und die Musik als Ausdruck von Wut über soziale Missstände genutzt hat, kommt Apsilon derzeit so nah an den Ursprung von HipHop ran wie kaum jemand in Deutschland.

Dringend benötigte Identität im Deutschrap

Denn Apsilon geht auf seinem neuen Album so verbissen in die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, Idealen, Generationskonflikten, Identitäten – und zu einem großen Teil damit auch sich selbst – wie wenig andere seines Faches. Das ist natürlich nicht erst seit „Haut wie Pelz“ der Fall, schon auf seinen ersten Singles aus Ende 2021 stellte er klar, dass er nicht gekommen ist, um sich bequem einzugliedern. „Man kann doch ein braver Deutscher sein, wenn man nur möchte/Doch ich möchte nicht, nein danke, trinke Çay und esse Köfte“ hieß es da bereits auf der ersten EP, die passend „Gast“ betitelt wurde. Seitdem entstanden zwei weitere EPs, mehr und mehr Connections wurden links und rechts gemacht, die angesprochenen Blockshows, zahlreiche Festivals und sogar ein Böhmermann-Auftritt gesellten sich dazu, und sein Name wurde immer stärker assoziiert mit Conscious Rap aus Deutschland – einer immer ausgestorbeneren Unterart eines Genres, das sich hierzulande eigentlich größter Beliebtheit erfreut. Doch Playlistplatzierungen, Viralität und Quantität machen den deutschen HipHop derzeitig erst so erfolgreich, sodass Rapper:innen wie Apsilon eher die Ausnahme als die Regelmäßigkeit darstellen.

Das neue Album von Apsilon als Meilenstein dieser Arbeit

Doch Apsilon wählt seit Beginn seines Schaffens einen anderen Weg und hat einen hohen qualitativen Anspruch an sich selbst. Die Musik entsteht in enger Zusammenarbeit mit seinem Produzenten/Bruder Arman und verfolgt ein ganzheitliches Konzept, das nun drei Jahre später in „Haut wie Pelz“ kulminiert ist – eine lange Zeit in einer kurzweiligen Welt. Das Soundbild durch das Album hinweg ist wie aus einem Guss, die Videos fungieren eher als Kurzfilme und erzählen ganze Geschichten, die Features sind nicht aus Klickgründen gewählt. Sein ganzheitlicher, durchdachter Ansatz ist ein erfrischender Gegenpol zum derzeitigen status quo des Deutschraps – und trifft vielleicht gerade deshalb so auf offene Ohren. Apsilons Ankommen im Mainstream ist daher nicht durchkalkulierter, auf Algorithmen ausgelegter Erfolg, sondern die logische Konsequenz in einem Genre, das sich (in Teilen immerhin) vermehrt nach starken und andersmachenden Stimmen sehnt.

Hört euch Friedensnobelpreis (feat. CANEY030) hier an:

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