„All of this is a Chance“ von Lisa O’Neill: Irish Folk neuinterpretiert
Lisa O'Neill interpretiert die Traditionen des Irish Folk mit sperriger Stimme und gewagten Arrangements neu.
Seien wir ehrlich: Irish Folk, das sind Fiddle und Tin Whistle in trunkener Pub-Atmosphäre. Oder auch nicht. Lisa O’Neill beweist seit einigen Jahren, dass der traditionelle Sound der grünen Insel auch im 21. Jahrhundert funktioniert – ohne St.-Patricks-Rausch, aber als altertümliche Volksweise, offen für Neuinterpretationen. Dabei bedient sich die Musikerin durchaus der Tradition, zitiert blassgesichtig Mythen und Geschichten, greift auf das lyrische Repertoire des Volksdichters Patrick Kavanagh zurück und scheut sich auch nicht, ihren durchdringenden Gesang als Erbe des klassischen Sean-nós-Gesang zu inszenieren.
Musikalisch begleiten sie Gitarre, Bass, Klavier und Schlagzeug, aber auch Harmonium, Tenor-Banjo, Hackbrett und Säge. O’Neills sperrigen Kobold-Gesang muss man mögen, genauso wie die Arrangements, die kompromisslos den Höhen und Tiefen der Singstimme folgen. Aber es gibt auch unangestrengte Momente, ein paar Folktronica-Sprengsel und vor allem ganz viel Entschleunigung. Nicht als Wellness-Gefühl, sondern wie nach einem windumtosten Spaziergang durch nasskaltes Landwetter. Übrigens ist O’Neill alles andere als ein Geheimtipp: Sie tourte mit David Gray, kooperierte mit James Yorkston, und sowohl die BBC als auch der Guardian prämierten sie mehrfach im Folk-Genre.