black midi: Cavalcade
Mit ihrem ersten Album wurden Black Midi als die hundertsten Retter des Rock ausgerufen. Der Band sind solche Erwartungshaltungen egal.
black midi, die erwartbar als „die beste Band, die keiner kennt“ stilisiert wurden und mit ihrem Debütalbum „Schlagenheim“ 2019 als tausendste Newcomer für die Erneuerung des Rocks gefeiert wurden, veröffentlichen ihr zweites Album: „Cavalcade“. Und wieder regen sich in den Journalist*innenfingern die geübten Framings – das schwierige zweite Album, das Sich-neu-Erfinden, der Lackmus-Test der Gitarrenrevolution. black midi sind solche Erwartungshaltungen egal.
„So viele Bands, die wir kennen, haben unter dem letzten Jahr finanziell sehr gelitten und mussten aufhören. Die Tatsache, dass wir überhaupt ein zweites Album aufnehmen konnten, ist atemberaubend“, sagt black-midi-Drummer Morgan Simpson im Interview. „Mit etwas Abstand wird klar, was für ein Privileg wir damit haben. Das bringt den ganzen Lärm da draußen zum Schweigen.“ Die neue Platte gleicht einer Nachricht von einem anderen Stern, die Einordnungen unter öden Bandnarrativen durch schiere Kreativität komplett lächerlich erscheinen lässt.
So lassen black midi bei „John L“ dissonantes Klavier und Saxofon auf einen treibenden Groove und den kühlen Vortrag von Sänger Geordie Greep treffen, nur um gleich darauf mit der chansonesquen Akustikballade „Marlene Dietrich“ einen Haken zu schlagen. „Wir wollten unbedingt mehr Farben“, sagt Simpson über die Arbeit an „Cavalcade“. „Unser erstes Album ist sehr düster, klaustrophobisch und eng. Diesmal war das Material sehr viel lebhafter und fröhlicher.“
Selbstverständlich ist das nicht: Gitarrist Matt Kwasniewski-Kelvin hat nach dem ersten Album aus Gründen der psychischen Gesundheit eine Pause eingelegt, und coronabedingt haben black midi die Songs für ihr zweites Album zu großen Teilen getrennt voneinander schreiben müssen, statt wie bei dem Debüt auf Jamsessions setzen zu können. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz ist die radikale Veränderung immer noch der Kern dessen, was black midi so spannend macht: „Wir haben von Anfang an gewusst, dass wir immer in Bewegung bleiben wollen“, so Simpson. „Aber wenn man sich das verspricht, weiß man natürlich vorher nicht, wie das letzten Endes aussieht.“