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Cat Power: Was ist mit Bob?

Cat Power by Inez & Vinoodh
(Foto: Inez & Vinoodh)

Nicht jeder liebt ihn so sehr wie Chan Marshall alias Cat Power. Doch jetzt beweist sie, warum wir heute wirklich alle von Bob Dylan profitieren.

Chan, du bist ein riesiger Dylan-Fan, aber wie ist es zu der Idee gekommen, dass du sein legendäres Konzert aus dem Jahr 1966 wirklich Song für Song nachspielst?

Chan Marshall: Seit ich die Dylan-Doku „Don’t look back“ gesehen habe, ist die Royal Albert Hall eine Art Wallfahrtsort für mich. Ich bin nie reingegangen, aber wann immer ich London war, habe ich ihr einen Besuch abgestattet. Als sich dann die Möglichkeit ergeben hat, dort zu spielen, und das Konzert auch noch in der Guy Fawkes Nacht stattfinden sollte, war sofort klar, dass ich nur Dylan-Songs spielen werde.

Den Opener „She belongs to me“ änderst du eigentlich oft ab und singst ihn gern aus der Ich-Perspektive.

Marshall: Klar, ich kann mich damit identifizieren. „I’ve got everything I need/I’m an artist/I don’t look back“. (lacht) Es wäre lustig gewesen, wenn alle Frauen im Publikum das so anverwandelt und mitgesungen hätten.

Auf deinem Album „Jukebox“ hast du „I believe in you“ gecovert und den Text durchaus verändert. Warum nicht hier?

Marshall: Ich habe mich hier ganz bewusst an das Original gehalten, denn diese Platte steht außerhalb meiner eigenen Arbeit. Sie ist ein Geschenk an Bob.

An einer entscheidenden Stelle hast du dennoch eingegriffen. Das Konzert bildet ja einen musikhistorischen Wendepunkt ab, denn in der Mitte der Show wechselt Dylan von akustischen Songs zu elektrischen. Wenn Dylan die Band integriert und es rockig wird, ruft ein Folk-Purist aus dem Publikum „Judas“ – du aber sagst an dieser Stelle: „Jesus“.

Marshall: Eigentlich hatte ich Courtney Love gefragt, ob sie den „Judas“-Ruf übernehmen will. Sie war zu der Zeit gerade in London, und ich fand es irgendwie passend, weil sie von den Medien ja so dämonisiert worden ist. Sie wollte nicht, fand dagegen aber die Änderung in „Jesus“ lustig – und ist am Ende schließlich doch nicht zum Konzert gekommen. Also habe ich das selbst übernommen. Ich musste es einfach tun, da ich wusste, dass jemand im Publikum „Judas“ rufen würde.

Gibt es in deiner eigenen Karriere einen ähnlich einschneidenden Wendepunkt?

Marshall: Als ich 2006 das erste Mal nüchtern ins Publikum geblickt habe. Zuvor hatte ich mich auf der Bühne immer vollkommen zurückgezogen, hatte einfach nur Klavier und Gitarre gespielt – und plötzlich war da dieses Lächeln in den Gesichtern. Von da an wollte ich das immer wieder.

Der Kampf, den Dylan damals begonnen hatte, ist mittlerweile entschieden, denn heute haben Genre-Puristen nichts mehr zu melden, oder?

Marshall: Das hoffe ich sehr. Beim Country war eine gewisse Ideologie vorherrschend, und homophobe oder transfeindliche Tendenzen haben sich lange gehalten – aber mittlerweile gibt es ja auch da sehr laute Gegenstimmen. Wir sind durch die Tür gegangen, die Bob geöffnet hat.

„Song to Bobby“ aus dem Jahr 2008 hast du wenige Tage vor einem ersten Zusammentreffen mit Dylan geschrieben. War das ein schwieriges Date?

Marshall: Es heißt ja immer, man solle seine Helden besser nicht treffen – aber genau das Gegenteil ist der Fall gewesen. Wir haben uns gegenseitig Fragen gestellt, und es hat sich angefühlt, als wären wir schon seit Ewigkeiten befreundet. Er ist ein warmherziger und lustiger Mann, sehr natürlich und sexy.

Hast du ihn auch über dein Konzert in London und das Album informiert?

Marshall: Ich habe seine private Nummer nicht, aber ich habe seinem Manager eine Mail geschrieben. Dabei ist es mir weder um die Erlaubnis, noch um eine Bestätigung oder eine Bewertung gegangen. Bob sollte einfach nur wissen, dass ich dieses Konzert spiele, weil ich seine Songs liebe. Und weil ich ihn liebe.

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