Christian Redl: 14 und ein Viertel Jahr
Redl beschwört die reiche, ganz diesseitig gewendete Sprach- & Sinnenwelt Villons mit zittriger, bittersüss gefärbter Stimme.
Christian Redl ist Schauspieler in Hamburg. Er mag Françcois Villon, vor allem in der Übersetzung von Paul Zech. Die hat er genommen, hat hochkarätige Musiker dazu aufspielen lassen und sodann die uralten, ewigjungen Balladen rezitiert – mit Hingabe und Anteilnahme, ganz so, als seien sie eben erst entstanden und der Pariser Dichter und Heißsporn nicht schon tot seit 500 Jahren. „14 und ein Viertel Jahr“ heißt die CD (ARIS, Import), und so alt war die Geliebte, der gleich im ersten (und schönsten) Stück, „Cylea“, wehmütig gehuldigt wird.
Villon war ein Poet des Windes und des Sommers, einer des prallen Lebens und vor allem: einer des Eros. Derb und zärtlich zugleich preist er die Freuden körperlicher Liebe, giert lüstern nach dem roten Erdbeermund der Gespielin, seufzt in fließenden Jamben: „Die Luft erbrach sich fast vor Fruchtbarkeit/Und unsereins hat Gott wer weiß wie lang nicht mehr/ Sich in ein Weiberfell hineingewühlt“. Vieles passiert im Freien, Wind, Gras und Vögel mischen immer mit beim Liebesakt.
Uns, auf ökozide stets gefaßt, wird da schnell ganz weh ums Herz bei soviel unschuldig-hymnischer Naturbeschwörung, bei soviel Synonymität von Sex und sommerlichen Wiesen. Redl beschwört die reiche, ganz diesseitig gewendete Sprach- & Sinnenwelt Villons mit zittriger, bittersüss gefärbter Stimme; sie spiegelt gut die dunkle Ahnung von Vergänglichkeit und Tod, die den lebenstrunkenen Versen stets eingewoben ist.
Dieser Dichter wusste: „Nur der, der lebt, lebt angenehm“. Ex-Musiker der Gruppe Ougenweide legen den saftigen Texten mit vorwiegend akustischem Instrumentarium behutsam ein zart-filigranes, mal verhalten rhythmisches, mal statisch ruhendes Klanggewand um. Diese Hommage an den poete maudit, an den Mörder, Dieb und Verseschmied Villon, der 32-jährig auf Nimmerwiedersehn verschwand, ist ein wundersames Kleinod.
Villon, hätte er Ende der Sechziger Jahre unseres Jahrhunderts gelebt, er wäre ein Kultstar geworden, einer jener faszinierenden, lasterhaften Exzentriker, berüchtigt für Drogenexzesse, wilde Schlägereien und demolierte Hotelzimmer …