„Chrysalis“ von Anna Metcalfe
In ihrem Debütroman „Chrysalis“ erzählt Anna Metcalfe von der Selbstermächtigung einer Frau – oder etwa nicht?
Indem uns Anna Metcalfe in „Chrysalis“ den Blick ins Innere ihrer Hauptfigur verweigert, lässt sie sie für uns zu einem ebensolchen Rätsel werden wir für die anderen Figuren des Romans.
„Chrysalis“ von Anna Metcalfe ist unsere Buchempfehlung der Woche.
Die namenlose Frau zieht alle Blicke im Fitnessstudio auf sich. Sie ist groß, stark, ruhig, unnahbar. Unbeirrt arbeitet sie an ihrem Körper, der sich immer weiter verändert. Eine seltsame Faszination geht von ihr aus, die sich aufs Internet überträgt, wo sie beginnt, Videos zu posten. Follower:innen tun es ihr gleich, ziehen sich aus der lauten Welt zurück, manche verschwinden komplett. Wir erleben die Wirkung, die sie auf andere hat, aus drei Perspektiven: Elliot, der sie im Fitnessstudio beobachtet und sich in sie verliebt. Ihre Mutter, die sich an eine schwierige Kindheit erinnert. Und ihre Freundin Susie, die die traumatische Beziehung miterlebt hat, die möglicherweise der Auslöser für die Verwandlung war. Sie alle werden von der Namenlosen berührt, ohne sicher sein zu können, sie je wirklich gekannt zu haben.
Dadurch, dass Anna Metcalfe uns den Blick ins Innere ihrer Protagonistin verweigert, lässt sie sie für uns zu einem ebensolchen Rätsel werden wie für die Figuren, die sie umgeben. Metcalfes Erzählstil ist detailorientiert und schonungslos, aber auch kühl und distanziert. So bleibt auch die Beurteilung der Metamorphose ihrer Hauptfigur uns überlassen: Ist sie Emanzipation oder Weltflucht, Selbstgenügsamkeit oder Abkapselung? Ist sie Reaktion auf Missbrauch oder spirituelle Botschaft? Sind ihre Videos ein Weg, die eigene Sichtbarkeit zu kontrollieren, oder schlichtes Marketing? Der Titel dieses ungemein modernen Romans mag uns einen Hinweis liefern: Er lautet nicht Schmetterling.
Mit „Chrysalis“ hat es Anna Metcalfe auf unsere Liste der besten Bücher im Februar 2024 geschafft.