Zum Inhalt springen

„Die Regeln des Spiels“ von Colson Whitehead

Buchcover „Die Regeln des Spiels“ von Colson Whitehead

„Die Regeln des Spiels“ von Colson Whitehead wirft die Frage auf, wann der zweifache Pulitzer-Preisträger eigentlich zum dritten Mal die begehrte Auszeichnung erhält.

Dass er mit jedem Buch das Genre wechseln kann, hat der zweifache Träger des Pulitzer-Preises schon hinlänglich bewiesen, doch mit „Die Regeln des Spiels“ kombiniert Colson Whitehead mal eben Kulturgeschichte mit Crime Thriller, Familiendrama mit Sozialsatire.

„Die Regeln des Spiels“ von Colson Whitehead ist unsere Buchempfehlung der Woche.

„Er war zum ersten Mal im neuen Madison Square Garden. Die Halle war riesig, eine wuchtige Konstruktion aus gestuften Tribünen und Logen. Die für den Bau geflossenen Schmiergelder, Provisionen und Unter-der-Hand-Zahlungen mussten geradezu märchenhaft gewesen sein.“ Wir schreiben das Jahr 1971, und Ray Carney besucht mit seiner 15-jährigen Tochter ein Konzert der Jackson 5. Wie er an die beiden Tickets gekommen ist, davon handeln die ersten gut 120 Seiten von Colson Whiteheads neuesten Roman „Die Regeln des Spiels“ – für Carney ein Höllenritt mit vielen Leichen, diversen ausgeraubten Läden und der Angst um das eigene Leben.

Doch beim Konzert hat er Spaß, auch wenn er wie alle anwesenden Elternteile darum bemüht ist, seine Begeisterung nicht allzu sehr zu zeigen. Und wenn Carney das Outfit der Jackson 5 beschreibt, ist das ein Beleg für Whiteheads wunderbar trockenen Humor, der sich durch den ganzen Roman zieht: „Angesichts seiner Kinderstube kam Carney unwillkürlich der Gedanke, dass Schlaghosen sich gut für einen raschen Zugriff auf ein Knöchelholster eigneten.“

Nach dem Auftakt der New-York-Trilogie mit „Harlem Shuffle“ springt Colson Whitehead in die 70er.

Der Möbelhändler Ray Carney ist bereits die Hauptfigur in Whiteheads vorherigen Roman gewesen, der Anfang der 60er spielt und den Spagat des Protagonisten zwischen Gangstertum und einem gesetzestreuen Leben nachzeichnet. „Harlem Shuffle“ ist der Auftakt von Whiteheads New-York-Trilogie, die er nun mit dem zweiten Band fortsetzt und in die 70er springt. Stolz blickt Carney auf vier Jahre zurück, in denen er von Hehlereien die Finger gelassen hat. Der zweifache Familienvater hat es zu Wohlstand gebracht, ist mittlerweile Hausbesitzer – doch dann begeht er den Fehler, ausgerechnet seinen alten Widersacher Munson wegen der von seiner Tochter so heiß ersehnten Tickets zu fragen.

Der korrupte weiße Bulle will aus der Stadt verschwinden, da seine krummen Geschäfte durch eine Untersuchungskommission aufzufliegen drohen, und er zwingt Carney dazu, sein Partner zu werden: In einer letzten Nacht will Munson so viel Geld wie möglich abziehen, und dafür nimmt er es nicht nur mit diversen Gangsterbossen des Viertels auf, sondern auch mit der Black Liberation Army, einem radikalen Ableger der Black Panther.

Wie schon der Vorgänger ist „Die Regeln des Spiels“ in drei Teile gegliedert. Der zweite Handlungsstrang spielt im Jahr 1973 und beschert auch ein Wiedersehen mit Pepper. Entgegengesetzt zur Biografie Carneys rutscht der Gangster so langsam in ein rechtschaffenes Leben und kümmert sich nun um die Sicherheit bei einem Filmdreh: Der pyromanisch veranlagte Aktfotograf Zippo will in der Blaxploitation-Szene ganz groß rauskommen und plant als Drehort für „Codename: Nofretete“ auch Carneys Möbelgeschäft ein. Als die weibliche Hauptdarstellerin Lucinda Cole spurlos verschwindet, erhält Pepper den Auftrag, die Exgeliebte eines Gangerbosses aufzuspüren. Und auch Carneys kriminelle Energie wird im dritten Teil wieder entfacht, der 1976 während der Zweihundertjahrfeierlichkeiten der USA spielt und das Spekulantentum samt großangelegter Brandanschläge auf Immobilien in den Blick nimmt.

Whitehead spielt mit den Hardboiled-Regeln

Dass er mit jedem Buch das Genre wechseln kann, hat der zweifache Träger des Pulitzer-Preises schon hinlänglich bewiesen, doch mit seinen Harlem-Romanen kombiniert er mal eben Kulturgeschichte mit Crime Thriller, Familiendrama mit Sozialsatire. Whitehead spielt mit den Hardboiled-Regeln, lässt die Gewalt abrupt und schockierend eskalieren, nimmt zwischenzeitlich aber auch immer wieder das Tempo raus, um reflexive Passagen einzubauen.

Mit seinen Zeitsprüngen und überraschenden Perspektivenwechsel meistert er sogar den so schwierigen Mittelteil einer Trilogie. „Die Regeln des Spiels“ macht deutlich, dass es Whitehead bei seinem Projekt um die Einrichtungsversuche der schwarzen Community geht, in Harlem, in New York, in den USA. Der Roman schürt die Spannung, wie es mit Carneys Geschichte in den 80ern weitergeht – und er wirft die berechtigte Frage auf, wann Colson Whitehead eigentlich seinen dritten Pulitzer-Preis bekommt.

„Die Regeln des Spiels“ von Colson Whitehead ist unsere Buchempfehlung der Woche. Zuletzt haben wir an dieser Stelle „Einer von den Guten“ von Jan Costin Wagner vorgestellt.

Beitrag teilen: