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Das gute (Über-)Leben

Maxim Gruene Papageien Promofoto
(Foto: Ben Hammer)

Vielleicht war sein Erfolg nur ein Missverständnis. Höchste Zeit, dass Maxim endlich aus den richtigen Gründen gefeiert wird.

Auf seinen bisher größten Hit blickt er mittlerweile schon ein bisschen resignierend zurück. „Ich nehme das Lied immer noch als einen sehr guten Song wahr, aber man muss rückblickend schon sagen: Es ist so erfolgreich gewesen, weil es in dieses Deutschpop-Ding gepasst hat“, sagt Maxim Richarz über „Meine Soldaten“ aus dem Jahr 2013. „Ich fürchte, es lag an dieser einen Zeile: ,Immer wenn mein Herz nach dir ruft.’ Ich musste mich damals bei dieser Zeile schon sehr überwinden. Aber sie musste da rein, sonst hätte das ganze Lied keinen Sinn ergeben.“

Einerseits schreibt der 38-jährige Kölner so wunderschöne Popsongs wie nur wenige in diesem Land, andererseits weigert er sich, auf ein vorgegebenes Schema zurückzugreifen. Auch textlich ist Maxim weit entfernt von einem abstrakten, inhaltslosen Hoffnung-Machen und Appellen an das Wir-Gefühl, so wie es auch in „Meine Soldaten“ ganz eigentlich um den Kampf mit der Depression geht. Musikmachen war für ihn immer schon Überlebensstrategie: „Es gibt sehr viel Positives in mir, aber sobald ich anfange nachzudenken, bin ich sehr unnachgiebig. Ich habe einen zerstörerischen Blick auf die Welt, der Leute abschrecken kann. Das kenne ich auch von meinen Freunden: Wenn ich loslege und die Sachen so darlege, wie ich sie sehe, kann ich locker allen die Laune verderben.“

Auf dem neuen Album wollte er das Positive in ihm zulassen, und dafür hat sich Maxim alle Freiheiten rausgenommen: „Grüne Papageien“ erscheint auf seinem eigenen Label, er hat sich daheim ein eigenes Studio gebaut und das sechste Album erstmals im Alleingang produziert. Da geht es im Titelsong um grüne Halsbandsittiche inmitten der grauen Nachkriegsbauten seiner Heimatstadt – nur bettet Maxim diesen Hoffnungsmacher in ein aufregendes, psychedelisches Arrangement, wie man es sonst nur von Kevin Parker alias Tame Impala bekommt. „Marseille“ beschreibt den Aufbruch zu einem Sehnsuchtsort – aber wer von der deutschsprachigen Konkurrenz würde hierfür die Kopfstimme verwenden? Und mit „Folie/Föhn“ gelingt ihm ein berührendes Liebeslied, das zugleich die Programmatik von Maxims neuer Leichtigkeit in sich trägt: „Es liegt darin kein tieferer Sinn/Kein Warum und wohin/Kein Grund auf den man sinkt.“

Doch geht es bei dieser Hinwendung zum Positiven keinesfalls um Anbiedern: Die neue Platte ist kein Kompromiss, mit dem er nach dem düsteren Vorgänger „Das Bisschen was wir sind“ wieder zum Erfolg vom Album „Staub“ und der Single „Meine Soldaten“ aufschließen möchte. Auch die Leichtigkeit ist bei Maxim eine Überlebensstrategie, denn auf „Grüne Papageien“ befindet sich auch das mutigste und abgründigste Lied, das Maxim jemals geschrieben hat: „Die Asche von Claude“ ist eine Ballade über seinen Großvater, einen Pfarrer und Missbrauchstäter.

„Man kann etwas schreiben, was komplex, vertrackt oder hochpolitisch ist – aber ist das dann deep? Viele Songs, die ich früher geschrieben habe und die deep wirken, sind für mich am Ende gar nicht so deep, wie ich dachte. Die sind vielleicht komplex, aber nicht deep. ,Die Asche von Claude’ ist deep, weil ich wirklich einen Prozess durchleben musste, damit ich es ertrage, dieses Lied zu schreiben“, sagt er über den Song, mit dem er seine Verdrängungsmechanismen abschüttelt und sich einem Kindheitstrauma stellt. Maxim verzichtet auf die für ihn so charakteristischen poetischen Spielereien, es sind die einfachen Worte und seine Aussparungen, die diesem Song zu einem der wichtigsten der deutschen Popgeschichte machen, der mit seiner Intensität die Grenzen des Erträglichen auslotet. „Ich konnte an diesem Song in einem Monat höchstens zwei Tage arbeiten – sonst wäre ich kaputt gegangen. In der restlichen Zeit musste ich etwas Erfreuliches und ganz und gar Positives machen“, sagt der gerade Vater gewordene Musiker auch mit Blick auf die Dramaturgie seines Albums. Mit „Grüne Papageien“ verbannt Maxim nicht nur die ungeliebten Deutschpop-Vergleiche ein für allemal ins Absurde. Er lässt auch nur noch internationale Referenzen wie eben Kevin Parker oder gar Frank Ocean zu.

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