„Vaters Meer“ von Deniz Utlu
In „Vaters Meer“ verwebt Deniz Utlu Vergangenheit und Gegenwart auf berührende Art – und rehabilitiert nebenbei auch die langweiligste Stadt des Landes.
In „Vaters Meer“ erzählt Deniz Utlu eine Jugend zwischen Hannover und der Türkei, zwischen Deutsch, Türkisch und Arabisch, zwischen Angst vor und Liebe zum Vater.
„Vaters Meer“ von Deniz Utlu ist unsere Buchempfehlung der Woche.
Hannover ist bekanntlich nicht gerade die spannendste Stadt Deutschlands. Wenn es Deniz Utlu in seinem neuen Roman lediglich gelingen würde, die niedersächsische Landeshauptstadt mit Bedeutung aufzuladen, wäre das allein schon Lob wert. Doch der Autor, der selbst aus Hannover stammt, schafft noch viel mehr, indem er eine von seinem eigenen Leben inspirierte Geschichte erzählt: Yunus erinnert sich an seinen Vater Zeki. Der ist vor Jahren gestorben, aber schon die zehn Jahre davor hat er bewegungslos im Bett gelegen, nachdem zwei Schlaganfälle ein Locked-In-Syndrom verursacht hatten.
So ist Yunus zugleich mit und ohne Vater aufgewachsen, während seine Mutter Senem Zeki aufopfernd gepflegt hat. Eine Jugend zwischen Hannover und der Türkei, zwischen Deutsch, Türkisch und Arabisch, zwischen Angst vor und Liebe zum Vater. Erst jetzt fragt sich Yunus, wie es gewesen ist für seinen Vater – nicht nur die Krankheit, sondern auch das Leben davor: die Kindheit an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien, die Odyssee, die ihn nach Deutschland verschlagen hat, der Verlust seiner ersten Familie, der Beginn der zweiten. Einiges hat Yunus miterlebt, anderes hat ihm sein Vater erzählt, wieder anderes muss er sich zusammenfantasieren. Seine engsten Verbündeten: die Sprache und die Literatur, die Liebe zu ihnen hat er vom Vater geerbt. Utlu findet komische, bewegende und poetische Bilder, um das Leben Zekis nachzuzeichnen – und die unverhofften Spuren, die es im Leben des Sohns hinterlassen hat.
Mit „Vaters Meer“ hat es Deniz Utlu auf unsere Liste der besten Bücher im Oktober 2023 geschafft.