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Die besten Bücher 2022: Empfehlungen aus dem Oktober

Buchcover der besten Bücher aus dem Oktober 2022 mit Thomas Melle, Hendrik Otremba, Lauren Groff, Karen Duve, Hervé Le Tellier und Ray Loriga

Nach der Buchmesse ist es Zeit für ein Fazit: Die besten Bücher aus dem Oktober 2022 mit Thomas Melle, Karen Duve und Hervé Le Tellier.

Nach der Frankfurter Buchmesse wird es Zeit, die zahlreichen Neuerscheinungen zu sortieren: Wer schafft es auf unsere Liste der besten Bücher im Oktober 22? Bereits mit „Über uns der Schaum“ und „Kachelbads Erbe“ hat uns Hendrik Otremba begeistert. Wenn der Messer mit dem dritten Roman nun sein Meisterwerk vorlegt, könnte „Benito“ also durchaus unsere Liste der besten Bücher im Oktober 2022 anführen. Auch Lauren Groff ist natürlich keine Unbekannte, und die Bestsellerautorin legt jetzt spektakulär nach: In „Matrix“ erfindet sie ein mittelalterliches Kloster, in dem Nonnen unverhoffte Freiheiten genießen.

Vielleicht gelingt aber auch Ray Loriga eine Überraschung, und er sichert sich die Spitzenposition auf unserer Liste der besten Bücher im Oktober 2022. Was passiert eigentlich, wenn wir uns alle fertig optimiert haben? Wahrscheinlich vegetieren wir dann apathisch in den Tag hinein, so Lorigas These in „Kapitulation“. Keine Überraschung wäre es dagegen, wenn Thomas Melle mit seinem ersten Roman seit dem autobiografischen Meisterwerk „Die Welt im Rücken“ auf dem Treppchen landet. Auch Karen Duves „Sisi“ vermutet man dort. Oder setzt sich Hervé Le Tellier mit dem schmalen Büchlein „Ich verliebe mich so leicht“ durch und führt unsere Liste der besten Bücher im Oktober 2022 an?

Die besten Bücher im Oktober 2022

6. Ray Loriga: Kapitulation

die besten Bücher im Oktober 2022: Buchcover „Kapitulation“ von Ray LorigaWas passiert eigentlich, wenn wir uns alle fertig optimiert haben? Wahrscheinlich vegetieren wir dann apathisch in den Tag hinein – ohne Wut, Glück oder Angst. So geschieht es zumindest dem Erzähler in „Kapitulation“, dem neuem Roman von Ray Loriga. Seit zehn Jahren herrscht Krieg, doch warum, weiß niemand mehr so genau. Die einzige Gewissheit: Sein Dorf wird in die neue, gläserne Hauptstadt umgesiedelt. Der Erzähler findet sich in einer völlig transparenten Welt wieder, in der es weder Geheimnisse noch Wände gibt. Das soziale Miteinander ist panoptisch reguliert, und jede subjektive Regung, jedes Bedürfnis, jeder Trieb wird im Keim erstickt.

Culturbooks, 2022, 200 S., 24 Euro

Aus d. Span. v. Alexander Dobler

5. Hervé Le Tellier: Ich verliebe mich so leicht

Buchcover „Ich verliebe mich so leicht“ von Hervé Le TellierHervé Le Tellier schreibt schon seit Jahrzehnten, aber den großen Durchbruch in Deutschland hat ihm erst 2021 „Die Anomalie“ beschert. Ein Glücksfall für Fans, denn nun werden auch ältere Werke des Franzosen hierzulande veröffentlicht: „Ich verliebe mich so leicht“ ist ursprünglich bereits 2007 erschienen. Von „Die Anomalie“ könnte der neu übersetzte Roman dabei nicht weiter entfernt sein. Statt einer multiperspektivischen Science-Fiction-Parabel gibt es ein Kammerspiel über unglückliche Liebe. Ein älterer Mann besucht seine 20 Jahre jüngere Geliebte in ihrer schottischen Heimat, ohne dass sie ihn eingeladen hätte.

Rowohlt Hundert Augen, 2022, 128 S., 20 Euro

Aus d. Franz. v. Romy u. Jürgen Ritte

4. Karen Duve: Sisi

Buchcover „Sisi“ von Karen DuveWenn Karen Duve einen Roman über Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn schreibt, bekommen wir natürlich eine feministische Sisi – oder? Doch die in Brandenburg lebende Autorin folgt keinesfalls einer Agenda. Sie hat Tagebücher, Biografien und Geschichtsbücher gewälzt und zeichnet eine Sisi, die zwar progressiv denkt und handelt, aber nicht sonderlich politisch und vor allem nicht ausschließlich sympathisch ist. So ist „Sisi“ ein Roman, der Empathie und Haltung perfekt ausbalanciert: Karen Duve ist bereit, sich auch in Absurditäten einzufühlen, und erzählt mit dezentem, wunderbar trockenen Humor aus dieser Blase. Es ist dieser Duve-Sound, der ihren Roman selbst für Sisi-Hasser zu einem Ereignis macht.

Galvani Berlin, 2022, 416 s., 26 Euro

Die besten Bücher im Oktober 2022

TOP 3

3. Lauren Groff: Matrix

die besten Bücher im Oktober 2022: Buchcover „Matrix“ von Lauren GroffDie nur als Marie de France bekannte Dichterin hat im 12. Jahrhundert gelebt und überraschend progressive Verse geschrieben – mehr wissen wir nicht über sie. Eine perfekte Vorlage für Lauren Groff, die der historischen Marie in „Matrix“ eine fiktive Geschichte an den Hals dichtet: Als entfernte Verwandte von Eleonore, Königin von Frankreich und England, wird sie zur Priorin eines englischen Klosters ernannt – für die sture 17-Jährige wie eine Verbannung. Doch mit den Jahren gelingt es Marie, nicht nur zum Glauben zu finden, sondern auch immer mehr Einfluss zu gewinnen. Ihr unkonventionelles Vorgehen und der grenzenlose Ehrgeiz schockieren nicht nur die Krone, sondern auch das Volk, doch im Kloster wächst derweilen eine abgeschottete, aber doch freie Gemeinschaft heran, in der Frauen weitaus mehr Macht haben als in er weltlichen Gesellschaft.

Claassen, 2022, 320 S., 24 Euro

Aus d. Engl. v. Stefanie Jacobs

2. Hendrik Otremba: Benito

Buchcover „Benito“ von Hendrik OtrembaIm Jahr 1995 geht eine Pfadfindergruppe auf eine dreiwöchige Kanufahrt. Unter ihnen ist der elfjährige Cherubin und ein blinder Junge mit dem Fährtennamen Benito. Doch es geschieht ein schreckliches Unglück, und der Ausflug wird für die Pfadfinder zu einem surrealen Alptraum. Gut 30 Jahre später stürmt ein maskierter Mann einen Empfang im Bonner Hotel Paradies und feuert wahllos in die Menschenmenge. Unter den Gästen aus Wirtschaft und Showgeschäft ist auch Cherubin, mittlerweile ein erfolgreicher Schriftsteller: Er meint, den vermeintlichen Attentäter zu erkennen, von dem sich im Nachhinein rausstellt, dass er nur Platzpatronen geladen hatte …

Mit dem dritten Roman legt Messer-Sänger Hendrik Otremba sein Meisterwerk vor: Eingebettet in einem ungemein spannenden Plot, beschwört er die Geister der Vergangenheit, um Kontinuitäten aufzuzeigen und unsere finstere Gegenwart auszuleuchten. Mit literarischen und philosophischen Exkursen, die auch fiktive Figuren aus Otrembas früheren Romanen einbeziehen, wandelt „Benito“ an der Grenze zwischen Wahnsinn und Erkenntnis.

März, 2022, 504 S., 28 Euro

1.  Thomas Melle: Das leichte Leben

Buchcover „Das leichte Leben“ von Thomas MelleGanze sechs Jahre sind seit „Die Welt im Rücken“ vergangen. Thomas Melle ging es nach der Veröffentlichung des autobiografischen Buchs über seine manisch-depressive Erkrankung erneut nicht gut, und so legt er erst jetzt den Roman vor, der ihn endgültig als derzeit wichtigsten Autoren dieses Landes etabliert: Mit „Das leichte Leben“ seziert der 47-Jährige eine festgefahrene bürgerliche Beziehung. Die zweifache Mutter Kathrin reaktiviert ihr Begehren mit Sexpartys und Pornos, zudem weckt ein 15-jähriger Schüler das Interesse der Aushilfslehrerin. Kathrins Ehemann Jan fickt zwar auch eine Praktikantin, doch deutlich mehr Eindruck hinterlassen bei dem erfolgreichen Journalisten die Fotos eines nackten Jungen, die er aufs Handy gespielt bekommt: Sie zeigen ihn selbst, als er noch auf ein katholisches Internat gegangen ist …

Verzweiflung, Aggression, Macht: Völlig unpeinlich und realitätsnah über Sex zu schreiben, ist eine Sache, doch wenn bei Melle Körperflüssigkeiten verspritzt werden, geht es immer auch um gesellschaftliche Zeitdiagnostik. Mit „Das leichte Leben“ führt Thomas Melle unsere Liste der besten Bücher im Oktober 2022 an.

Kiepenheuer & Witsch, 2022, 352 S., 24 Euro

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