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„Sisi“ von Karen Duve: Der Kaiserin neue Kleider

Buchcover „Sisi“ von Karen Duve

Wenn Karen Duve einen Roman über Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn schreibt, bekommen wir eine feministische Sisi – oder?

Die Erwartungen sind klar: Karen Duve wischt den Kitsch der Sisi-Filme aus den 50ern beiseite, natürlich taugt ihr auch die auf Sex fokussierte RTL-Serie aus dem letzten Jahr nicht als Perspektive, und Bully Herbig dürfte nicht mal ein Abarbeiten wert sein. Orientiert man sich an Romanen wie der Dystopie „Macht“ und vor allem ihrem wütenden Essay „Wenn die Sache schiefgeht“, wird Duve in der von allen Seiten vereinnahmten Kaiserin vor allem eine Rebellin sehen, die gegen die Rollenvorstellungen ihrer Zeit aufbegehrt. Dazu passt, dass die „Sisi“ in ihrem Roman bereits auf die 40 zugeht, von Kaiser Franz Joseph und dem Leben am Wiener längst gelangweilt ist und so oft es geht an waghalsigen Reitjagden teilnimmt.

Doch die in Brandenburg lebende Autorin folgt keinesfalls einer Agenda. Sie hat Tagebücher, Biografien und Geschichtsbücher gewälzt und zeichnet eine Sisi, die zwar progressiv denkt und handelt, aber nicht sonderlich politisch und vor allem nicht ausschließlich sympathisch ist. So ist „Sisi“ ein Roman, der Empathie und Haltung perfekt ausbalanciert: Karen Duve ist mit „Sisi“ bereit, sich auch in Absurditäten einzufühlen, und erzählt mit dezentem, wunderbar trockenen Humor aus dieser Blase. Es ist dieser Duve-Sound, der ihren Roman selbst für Sisi-Hasser zu einem Ereignis macht.

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