Die besten Krimis 2021: Empfehlungen für den Februar
Noch hängen wir in der Warteschleife, doch die fühlt sich mit spannenden Thrillern gar nicht so schlecht an. Die besten Krimis im Februar 2021 mit Ottessa Moshfegh und Michael Peinkofer.
Ottessa Moshfegh hat wieder eine abseitige Kriminalgeschichte veröffentlicht: Bei „Der Tod in ihren Händen“ lässt sich eine alte, einsame Witwe ermitteln – der man als Leser*in besser gehörig misstraut. Kommt die 39-Jährige damit auf unserer Liste der besten Krimis im Februar 2021 an Michael Peinkofer vorbei? Der legt mit „Ork City“ einen rasanten Genremix vor und mischt lustvoll bekannte Krimisettings mit Special-Effects aus der Fantasy-Ecke. Auch Doug Johnstone hat es mir „Der Bruch“ auf unsere Liste der besten Krimis im Februar 2021 geschafft. Der schottische Krimiautor führt uns mit seiner Losergeschichte in Ecken von Edinburgh, die man in keinem Cityguide findet. Ganz aktuell ist Tom Roth unterwegs: In „CO2 – Welt ohne Morgen“ führt er zögerlich betriebene Klimapolitik vor, lässt die Leser*innen beim Wettlauf gegen die Zeit mitfiebern und gibt einen realistischen Ausblick ins 2040, der atemlos macht. Auch das prämieren wir natürlich mit einem Platz auf unserer Liste der besten Krimis im Februar 2021.
Die besten Krimis im Februar 2021
5. Ted Lewis: Schwere Körperverletzung
Wenn Kabel aus der Fassung der Deckenleuchte baumeln, ein Wassereimer bereit steht und jemand an einen Stuhl gebunden wird, kann man davon ausgehen, dass eine höfliche Befragung zu einer britzligen Angelegenheit eskaliert. Gangsterboss George Fowler ist knallhart, wenn er sich von den eigenen Leuten hintergangen fühlt. Er stemmt sich gegen den Kontrollverlust und ist sich trotzdem nie sicher, wer von den Jungs in die eigene Tasche wirtschaftet. London, Anfang der 1980er Jahre: Jeder wird mit der Frage begrüßt, ob er einen Drink haben möchte, und mit illegalen Schmalfilm-Schmuddelkram kann man noch das dicke Pfund machen. Fowler investiert in Porn-Performance und Korruption, und unterm Ladentisch grapscht man gierig seine Lesben-Reihe ab. Doch ein paar Mistkerle wollen jetzt auch mal Fowler ficken: Sie krallen sich seine Frau Jean und machen sie zur Hauptdarstellerin in einem Snuff-Movie, in dem auch drei Kapuzenmänner, Gummischläuche und eine Axt mitspielen. Also nimmt sich Fowler in diesem trüben Winter erst mal aus der Schusslinie. Keiner kennt sein Geheimversteck im nordenglischen Küstenkaff Mablethorpe, wo er den Scotch und die geladene Browning im Auge behält. Fowler steht mit dem Rücken zur Wand und fragt sich, ob James, Jimmy, Charlie oder Ray ihm an die Eier wollen. Plötzlich taucht diese Lesley bei ihm auf: anzüglich wie der Afghanenmantel, den sie auf den Boden fallen lässt, und undurchsichtig wie die Sonnenbrille, mit der sie ihre Blicke verdeckt. Ein Todesengel? Krimiautor Ted Lewis – bekannt durch seine Jack-Carter-Trilogie – hat mit seinem letzten Roman aus dem Jahr 1980 ein schnörkelloses Noir-Meisterwerk geschaffen. Lewis deutet Horror nur an, charakterisiert seine Figuren durch Gesten, Räume und Landschaften und hält die Dialoge knapp. So hat er den düsteren britischen Gangsterroman jener Zeit geprägt – und überzeugt auch heute noch mit Szenen, in denen einige nicht ganz freiwillig die Hosen runterlassen. Eine handfeste Schießerei dezimiert das Personal, und für Fowler wird es am Ende verdammt noch mal ziemlich heiß. Das wird mit Platz fünf auf unserer Liste der besten Krimis im Februar 2021 belohnt.
Pulp Master, 2020, 352 S., 14,80 Euro
Aus d. Engl. v. Angelika Müller
4. Michael Peinkofer: Ork City
Eine klassische Szene im Hardboild-Genre: Femme Fatale betritt ein abgeranztes Detektivbüro. Diesmal ist es Kity Miotara, die da lasziv zur Tür rein stöckelt. Schwarzes Haar, hellgrüne Haut – um Private-Eye Corwin Rash ist es natürlich gleich geschehen. Moment mal: hellgrüne Haut? Ja, hier ist es dann doch etwas anders als bei Raymond Chandler und Co. Wir befinden uns auf Erdwelt (sic), die Stadt Tirgaslan erinnert zwar stark an das Los Angeles der 1940er Jahre, ist jedoch hauptsächlich von Orks und Zwergen bevölkert. Wie in den stilbildenden Krimiklassikern tragen auch sie Trenchcoats, ziehen die Hutkrempen ins Gesicht und sind böse, wenn es ihrer Bereicherung dient – oder einfach nur Spaß macht. Nur fletscht man hier eben nebenbei die gelben Hauer, bläht die Nüstern oder knurrt leise vor sich hin. „Ork City“ ist ein munterer Genremix, der verblüffend gut funktioniert und für Hardboiled-Fans genauso viel bietet wie für Fantasynerds. Der Plot? Nebensache! Die Suche nach einem Elfenkind mit Zauberkräften ist nur ein Vehikel, um skurrilen Typen wie Dreiaugen-Jack oder den Trollen „Lug“ und „Trug“ eine Bühne zu bereiten. Michael Peinkofer überdreht dabei lustvoll bekannte Krimisettings und masht sie mit Special-Effects aus der Fantasy-Ecke. Dass einer Femme Fatale nicht zu trauen ist, wussten wir schon. Aber nicht, in was sie sich verwandeln kann …
Piper, 2021, 368 S., 17 Euro
3. Tom Roth: CO2 – Welt ohne Morgen
Vielleicht lässt sich der Klimawandel ja doch noch stoppen – indem man Kinder tötet. Terroristen drohen mit der Ermordung von zwölf entführten Jugendlichen, sollte die Weltgemeinschaft nicht in kürzester Zeit konkrete Klimaschutz-Maßnahmen umsetzen. Während die Regierungen verzweifelt beraten, wie weit sie sich auf die perfide Erpressung einlassen sollen, versucht ein ehemaliger Kriegsreporter auf eigene Faust das Leben seiner Nichte zu retten, die sich auch in der Gewalt der Terroristen befindet. Tom Roth führt in seinem Thriller zögerlich betriebene Klimapolitik vor, lässt uns beim Wettlauf gegen die Zeit mitfiebern und gibt einen realistischen Ausblick ins Jahr 2040, der atemlos macht. Mit „CO2 – Welt ohne Morgen“ klettert Tom Roth bis auf Platz drei unserer Liste mit den besten Krimis im Februar 2021.
Lübbe, 2020, 528 S., 16 Euro
2. Doug Johnstone: Der Bruch
Jeder Einbruch trägt das Scheitern schon in sich: Mal lässt Kommissar Zufall die Täter hinter Gittern enden, mal stellen sich die Diebe selbst ein Bein. Zumindest im Noir, denn da gibt es weder Gewinner noch ein Happy End. Die Geschwister Barry, Kelly und Tyler gehen ihre Hauseinbrüche naiv und planlos an. Mit der Taktik „schnell rein – schnell raus“ versuchen die Jugendlichen an Kohle zu kommen, um sich Drogen zu besorgen. Als sie ausgerechnet in die Villa von Bandenchef Holt einsteigen, kommt ihnen dessen Frau in die Quere, und Barry sticht sie kurzerhand mit dem Küchenmesser nieder. Bald haben sie die Polizei an den Hacken und müssen auch Holts Rache fürchten. Denn obwohl Tyler nach der Tat heimlich den Notarzt ruft und damit die Frau rettet, kann sich ein Gangsterboss nicht von ein paar Kleinganoven auf der Nase rumtanzen lassen. Der schottische Krimiautor Doug Johnstone führt uns mit seiner Losergeschichte in Ecken von Edinburgh, die man in keinem Cityguide findet: Ein heruntergekommenes Hochhausviertel ist für seine perspektivlosen Protagonisten zugleich Zuflucht und Sackgasse. Dabei versucht sich der 17-jährige Tyler noch etwas Anstand zu bewahren: Er kümmert sich liebevoll um seine kleine Schwester Bean, während die zugedröhnte Mutter mit Wodkaflasche und Heroin-Besteck vorm Fernseher hängt. Tyler macht bei den Einbrüchen nur mit, weil er sonst Schläge von seinem brutalen Halbbruder Barry kassiert. Mit seiner neuen Freundin Flick, die zunächst so gar nicht in seine Welt zu passen scheint, träumt Tyler sogar von einer gemeinsamen Zukunft. Doch kann er der Gewalt entfliehen, ohne sie selbst anzuwenden? Weil sich Johnstone seinen lebensnahen Charakteren verbunden fühlt, gibt er ihnen trotz blutigem Showdown etwas mit, was im Noir sehr selten ist: Hoffnung, dass es doch irgendwie weitergehen könnte.
Polar Verlag, 2021, 312 S., 20,50 Euro
Aus d. Engl. v. Jürgen Bürger
1. Ottessa Moshfegh: Der Tod in ihren Händen
Magdas Hände sind auf dem Rücken gefesselt. Ihr Gesicht liegt halb in der schwarzen Erde, aus Stichwunden in ihrem Körper sickert Blut in den Waldboden. Keine Angst: Das ist nicht real, sondern nur der Phantasie einer alten Frau entsprungen! Die 72-jährige Vesta hat beim Gassi gehen mit ihrem Hund eine merkwürdigen Zettel gefunden: „Ihr Name war Magda. Niemand wird jemals erfahren, wer sie getötet hat. Ich war es nicht. Hier ist ihre Leiche.“ Vesta entdeckt keine Anzeichen für den behaupteten Mord. Also nur ein dummer Streich? Oder der Anfang einer Geschichte? Vesta Neugier ist geweckt: Die Zeilen inspirieren sie, sich die Tat vorzustellen. Mit einem Ratgeber für Krimiautoren erspinnt sie Magdas Biografie und schreibt Szenen rund um das vermeintliche Verbrechen. Wer Ottessa Moshfeghs introvertierte Protagonist*innen kennt, weiß um deren Kauzigkeit und verzerrte Wahrnehmung von Realität, die sich aus Selbstisolation ergibt. So sind wir auch in „Der Tod in ihren Händen“ mit der zurückgezogen lebenden Witwe Vesta einer unzuverlässlichen Ich-Erzählerin ausgeliefert, die sich zur Autorin ihrer eigenen Geschichte macht. Wenn ein Buch keine aufregende Handlung bietet, schreibt sich die Hauptperson eben selbst das Leben spannend! Ottessa Moshfegh spielt mit der Erwartung eines Krimiplots. Sie lässt zwischen den Zeilen geschickt Grauen aufblitzen, wenn Vestas Erzählung auch Fragen zum Tod ihres Mannes aufwirft. Sie lässt durchblicken, was es mit dem Zettel auf sich haben könnte. Sie lässt uns über „alternative Fakten“ nachdenken und darüber, was Einsamkeit mit uns macht. Am Ende sticht dann doch noch ein Messer todbringend in einen Körper. Oder hat sich Vesta auch das nur ausgedacht?
Hanser Berlin, 2021, 256 S., 22 Euro
Aus d. Engl. v. Anke Caroline Burger