„Die weite Wildnis“ von Lauren Groff
Mit dem Entwicklungsroman „Die weite Wildnis“ stellt Lauren Groff das Mann-gegen-Wildnis-Narrativ auf den Kopf.
Mit „Die weite Wildnis“ reist Lauren Groff zurück in das scheinbar unerschlossene Nordamerika des 17. Jahrhunderts – und etabliert dort einen Ort für feministische Utopien.
Lauren Groff ist die Meisterin der Schlupflöcher: In ihren Romanen schafft sie Raum für feministische Utopien an Orten, an denen man sie am wenigsten vermutet. Beim letzten Buch „Matrix“ war es ein mittelalterliches Nonnenkloster, das sich als Enklave der Freiheit entpuppte, nun ist es das scheinbar unerschlossene Nordamerika im 17. Jahrhundert. Dorthin ist Groffs Protagonistin, die sie meist einfach „das Mädchen“ nennt, als Dienstbotin einer englischen Familie gekommen, flieht aber vor einer Hungersnot aus dem sterbenden Fort.
Ganz auf sich allein gestellt, schlägt sie sich durch den Wald, mit dem einzigen Ziel, zu überleben: fischen, sammeln, Feuer machen, weiter, immer weiter. Damit stellt Groff das klassische Mann-gegen-Wildnis-Narrativ auf den Kopf, zugleich aber auch den Entwicklungsroman. Denn ihre Protagonistin erkennt in der Abwesenheit aller Zivilisation die Falschheit der Werte, in deren Namen sie erzogen worden ist. Dass eine vor 400 Jahren in London sozialisierte Person wirklich fähig gewesen wäre, Patriarchat, Rassismus und selbst religiöse Doktrin derart radikal zu überwinden, mag stellenweise idealistisch erscheinen. Doch die Hauptfigur befindet sich in einer Extremsituation – und letztlich ist es genau dieser unerschrockene Idealismus, von dem Groffs Werk lebt.
Mit „Die weite Wildnis“ hat es Lauren Groff auf unsere Liste der besten Bücher im Dezember 2023 geschafft.