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„FC Chaya“: Der Verein mit der Regenbogenbinde

Ebow liegt auf einem Fußballfeld mit einem Ball in der Hand.
Ebow (Foto: Nikolas-Petros Androbik)

Mit ihrem fünften Album „FC Chaya“ liefert Ebow eine Liebeserklärung an alle Chayas: queere Hymnen auf Kopfnickerbeats.

Wenn Ebow ihr Album „FC Chaya“ nennt und darauf explizit queere Liebe verhandelt, beginnt unweigerlich eine Dissonanz zu klingen: Queerness und Fußball. Wer einmal in einem Fußballstadion oder an der Seitenlinie einer örtlichen C-Jugend stand, wird wissen, wie wenig Regenbogenflair zwischen Bratwurst und Bierbecher passt. Doch nicht nur dort, wo der Horizont gerade so über den eigenen Bierbauch langt, ist Homophobie ein Problem. Wurde doch nach der mittlerweile völlig in Vergessenheit geratenen Weltmeisterschaft in Katar das schlechte Abschneiden der Deutschen Nationalmannschaft auch darauf zurückgeführt, dass es zu viel Trubel um das mögliche Tragen einer Regenbogen-Kapitänsbinde gegeben habe. Dass Ebow ihr fünftes Album nun „FC Chaya“ getauft hat, stimmt einen dann aber doch zuversichtlich: Womöglich gibt es endlich einen Klub, den es sich zu unterstützen lohnt.

Aber was ist so ein FC, ein Klub, ein Verein eigentlich? Im Grunde eine Ansammlung unterschiedlichster Menschen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. Mit anderen Worten: eine Community. Und so beginnt der Opener des Albums „Forever“ auch mit einer augenzwinkernden Anrufbeantworteransage an die Community: „Wir sind immer da für unsere Chayas, wir supporten euch, wir lieben euch“. Wer genau diese Chayas sind, erklärt Ebru Düzgün, wie Ebow mit bürgerlichem Namen heißt, dann auch in „Chayas Worldwide“: Kölner Partyqueens, Frankfurter Dealer:innen, Münchner Models, Leipziger Antifaschist:innen, Wiener Kunststudent:innen und neureiche Züricher:innen. Kurzum: alle Frauen, die ihr Ding machen, ohne Angst davor, anzuecken.

„FC Chaya“ von Ebow: Queere Hymnen auf Kopfnicker-Beats

Dass Ebow Frauen liebt, ist nichts Neues. Dass die Rapperin dies auf Albumlänge zum Thema macht, hingegen schon. „Alle Pretty Babes sind lesbisch“, singt die gebürtige Münchnerin über den verhangenen Beat von „Lesbisch“ und lässt sich dabei von ausladenden 80s-Synthies tragen. Eine queere Hymne, die nicht unbedingt als solche daherkommt. Grund dafür ist Ebows einzigartiger Style, anarchische Reime an wunderbar poetische Sätze zu hängen, zwischen den Sprachen hin und her zu springen und frotzelnd die Konfrontation zu suchen, wie etwa am Ende jenes Songs: „Alle diese Girls lieben Girls oder they/thems. Bruder, lass sie los, nur meine Pussy kann sie saven.“ Hymnisch queere Lyrics, made in 2024.

Wütenden und rohen Rap mit ihrem ganz und gar eigenen Sing-Sang zu vereinbaren, war schon immer Ebows Stärke. Doch noch nie ist es ihr so gut gelungen wie auf diesem Album. So, wie sie im Opener ihrem Crush Rosen und Kippen mitbringt, laviert auch dieses Album ständig zwischen großgefühligem Kitsch und unzähmbarer Rotzigkeit. Passenderweise bewegt sich der Sound im großen Rahmen dessen, was in den 2000er-Jahren unter Urban Music gehandelt wurde: alles von Pimp-Rap und Cruisersound bis plüschigem Kuschel-R’n’B. Da setzt das Anrufbeantworter-Skit in 2000er-Manier gleich einmal die Vorzeichen. Und so ist es auch kein Widerspruch, dass Ebow eine Sehnsuchtsfigur im Fake-Louis-Vuitton-Ledermantel mit dreckigem Lachen, Goldkette und Player-Attitüde („Big Simpin“) auf einem Kopfnicker Beat einführt und auf einem arabesken Bassbanger („Do Ya?“) Stress sucht, während sie sich mit „Lightspeed“, einem therapeutischen R’n’B-Slowdancer, der Kehrseite der großen Liebe widmet.

Rougher Regenbogen-Rap

Hatte Ebow in der Rapszene schnell den Stempel der Politrapperin versehen bekommen, wirkt es auf „FC Chaya“ fast so, als wolle sie dieses Label ganz bewusst nicht bedienen. Was Ebow auf ihrem fünften Album zu beschwören versucht, sind die verbindenden Dinge, die Kraft des Frau- und des Queerseins. Nicht beschwingt, aber positiv. Zwar ist ihr wacher Blick auf systemische Probleme zwischen jeder Zeile zu erahnen, ihre explizit politischen Inhalte auf diesem Album gliedert sie jedoch auf zwei Songs aus. So feierlich die Wahlberlinerin von Begehren („Juicy“, „Bodies“) und Sehnsüchten („Gott weiß“) rappt und so wenig sie allem Destruktiven Platz einräumen möchte, sind Hass und Gewalt unweigerlich auch Thema.

So wird die 34-Jährige auf „Ebru’s Story“ so persönlich wie vielleicht noch nie zuvor. Berichtet von homophoben Sprüchen und Selbstmordgedanken im Kindesalter, der Angst davor, anders zu sein, dem Versteckspiel, dem ersten Coming-out. Ein Rap-Storyteller, der einem die Tränen in die Augen schießen lässt. Doch Mitleid will Ebow wohl am wenigsten. Nicht umsonst schließt das Album mit „Free.“. Einem Song, der heraussticht. „Ich hab noch nie so fucking Angst gehabt“, rappt Ebow und wendet sich an ein Deutschland, das NSU, Hanau und Halle bereits geschehen lassen hat und trotz prügelnder Bullen und rassistischer Politik noch immer am eigenen Demokratieporno festhält. „Free my People!“, singt Ebow schließlich und appelliert an ein ernstgemeintes Nie Wieder. Wie dringlich dies ist, zeigen nicht zuletzt die Bilder von landesweiten Attacken auf CSD-Veranstaltungen und brennenden Regenbogenflaggen.

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