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„Let’s say for Instance“ von Emeli Sandé: Eine geballte Ladung Glück

Portraitfoto Emeli Sandé im weißen Kleid, Rosen im Hintergrund
(Foto: Ciaren Fredrick)

Darf man in diesen dunklen Zeiten von der Liebe singen? Emeli Sandé gelingt das auf „Let’s say for Instance“, ohne dabei die kritische Haltung aufzugeben.

Emeli Sandé, dein neues Album „Let’s say for Instance“ macht richtig Laune. Die fröhlichen, leicht vintage klingenden R’n’B-Songs wie „My Pleasure“, „Summer“, „There isn’t much“  und „Brighter Days“ ziehen einem regelrecht die Mundwinkel nach oben.

Emeli Sandé: Herrlich, dann habe ich ja alles richtig gemacht. (lacht) Mein Wunsch war es tatsächlich, eine Platte zu machen, die uns alle von der Couch scheucht, auf der wir lange genug vor uns hingegammelt haben. Ich will die Leute aufbauen, ermuntern und inspirieren. Mit Songs, die das Schöne im Leben zelebrieren. Und die uns helfen, auch das Helle und Gute da draußen zu erkennen.

Wie resilient bist du selbst angesichts des ganzen Schreckens in der Welt?

Emeli Sandé: Ich bin schon eher ein widerstandsfähiger Mensch, aber ich bin nicht unverwundbar. Wie so viele meiner Freundinnen und Freunde habe auch ich meine Probleme mit der psychischen Stabilität. Ich denke, ich habe unter einer Art niedrigschwelliger Depression gelitten, die dadurch ausgelöst wurde, dass ich meine Lebenszukunft nicht mehr klar erkennen konnte.

Du bist studierte Ärztin. Hast du darüber nachgedacht, in einen medizinischen Beruf zu wechseln?

Emeli Sandé: Ja, speziell am Anfang von Corona, als ich gesehen habe, wie unverzichtbar medizinisches Personal ist. Auf einmal ist mir mein Musikerinnendasein sehr unnütz erschienen. Wir sind ja quasi über Nacht nach Hause geschickt worden. Dazu kam, dass ich mich von meiner Plattenfirma getrennt hatte und ganz auf mich allein gestellt war. Es gab niemanden, der mich angetrieben hat. Das war einerseits erholsam, andererseits drohte aber auch meine Neugier, etwas zu verkümmern.

Wie hast du die Neugier dann stimuliert?

Emeli Sandé: Ich habe Kurse in klassischer Musik belegt, über die ich Tschaikowski und Chopin entdeckt habe, deren Musik mich wirklich tief berührt. Außerdem habe ich eine kleine Obsession für Maria Callas entwickelt. Seither träume ich davon, einmal eine Oper zu singen. Ich übe auch schon, wie ich meine Stimme entsprechend einsetzen kann. Aber diese Bemühungen sind noch nicht reif für die Öffentlichkeit. (lacht)

Du giltst ohnehin als eher schüchterne Person.

Sandé: Vor allem in der Anfangszeit bin ich sehr introvertiert und eher verschlossen gewesen. Es ging damals alles so schnell, ich bin da zunächst nicht hinterhergekommen.

„Our Version of Events“ war 2012 das meistverkaufte Album in Großbritannien.

Sandé: Ich war 22, 23, als ich nach meinem Medizinstudium von Glasgow nach London gezogen bin. Plötzlich hat mir die Welt zu Füßen gelegen – das war bizarr. Ich hatte nichts zu verlieren und nichts zu befürchten. Trotzdem hatte ich zunächst ein gesundes Selbstvertrauen, das mir dann nach und nach verloren gegangen ist. Auch, weil die Beziehung zu meinem Label immer verkrampfter geworden ist: Die wollten Hits, aber ich wollte mich ausprobieren und mehr Facetten von mir zeigen.

Hat es eine Frau in dieser Branche immer noch schwerer, ihre Vorstellungen durchzusetzen?

Sandé: Ich denke schon. Man hat in der Musikindustrie gern Mädchen, die zarte und sanfte Musik machen und keine allzu aufmüpfige Persönlichkeit haben. Nur: So funktioniert das mit mir nicht. Wir müssen auch Kämpferinnen sein, uns dem Hass und der Negativität mit Wucht entgegenstemmen und auch selbst zum Attackieren bereit sein. Sonst werden wir von den Männern überfahren.

Bist du immer schon Feministin gewesen?

Sandé: Ja, aber ohne den Begriff wirklich zu kennen. Meine Eltern, besonders mein Vater, hat meiner jüngeren Schwester und mir sehr früh im Leben eingetrichtert, dass wir niemals denken sollten, ein Mädchen könne irgendetwas im Leben nicht tun oder nicht erreichen. Wir sind nicht als Frauen erzogen worden, sondern als Menschen, ganz einfach.

Heißt das Stück auf deinem Album „Let’s say for Instance“ deshalb „Superhuman“ – und nicht „Superwoman“?

Sandé: Ja, ich beziehe alle mit ein. Ich möchte mich auf das Gemeinsame von uns Menschen fokussieren, nicht auf das Trennende. Wir sind alle super. (lacht)

Dein Vater, der aus Sambia stammt, war Lehrer an derselben Schule, auf die auch du gegangen bist. Das ist für Kinder oft knifflig. Wie ist das bei euch gelaufen?

Sandé: Mein Vater war ein beliebter Lehrer, er wurde von allen geschätzt und respektiert. Aber er war auch streng. Mit Sonderbehandlungen durften wir bei ihm nicht rechnen. Und es war ihm wichtig, dass ich gute Leistungen gebracht habe. Wir haben in einer sehr weißen Gegend in Schottland gelebt, und wir waren an der ganzen Schule die einzigen Schwarzen. Darauf war er immer sehr stolz. Meine Eltern haben hohe Erwartungen an uns gestellt, die wir nicht enttäuschen wollten.

In „Another one“ geht es um Rassismus. Du erwähnst in dem Song, dass die Sterblichkeit von schwarzen Babys in den meisten Ländern höher ist als die von weißen.

Sandé: Ich habe die Themen Rasse und Rassismus immer aus meinen Songs rausgehalten, doch nach George Floyd und mit Black Lives Matter im Rücken musste ich einfach den Mund aufmachen. Jedes Leben zählt gleich viel – da gibt es nichts zu diskutieren. Auch ich habe Rassismus erlebt: Einmal bin ich sogar in eine Diskussion mit einer Person geraten, die mir förmlich abgesprochen hat, überhaupt ein Mensch zu sein. Ich stelle mich gerne jeder Konversation, aber so etwas ist einfach nur krank.

Du sprichst in zahlreichen der neuen Songs von „Let’s say for Instance“ über die Liebe. Wie sieht es aus bei dir? Verliebt?

Sandé: Bis über beide Ohren. (lacht) Meine Partnerin Yoana ist klassische Pianistin und Musiklehrerin. Ich habe sie bei einem meiner Kurse kennengelernt. Es ist wundervoll, diesen Menschen in meinem Leben zu haben. Sie hat mir die Augen nicht nur in Bezug auf klassische Musik geöffnet, sondern in ganz vieler Hinsicht. (lächelt)

Du bist bis 2014 mit deinem Jugendfreund verheiratet gewesen, und in „Ready to love“ singst du auf „Let’s Sam for Instance“: „I kept myself to myself/I put my heart on the shelf“. Wusstest du gleich, dass du wieder bereit bist für die Liebe?

Sandé: Nach der Scheidung von Adam war mein Herz gebrochen. Ich bin fünf, sechs Jahre sehr vorsichtig gewesen und habe niemandem vertraut. Doch es gibt nichts Stärkeres, als sich zu verlieben und sich dann wirklich verstanden und gesehen zu fühlen.

Warst du überrascht, dass du dich in eine Frau verliebt hast?

Sandé: Ich habe mich schon immer zu Männern und zu Frauen hingezogen gefühlt. Jetzt werde ich oft gefragt, wie ich meine Sexualität definiere. Die ehrliche Antwort ist: Ich habe keine Ahnung, und es ist mir auch nicht wichtig. Das alles ist komplett unerwartet passiert, ich habe nullkommanull damit gerechnet. Ich bin einfach nur dankbar und möchte jetzt Tag für Tag mein Glück genießen.

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