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„Faith of a Mustard Seed“ von Mustard: Nachdenkliches Comeback

Mustard – Faith Of A Mustard Seed (Hi-Res Cover)

Dank Kendrick Lamars „Not like us“ ist Produzent Mustard erfolgreich wie nie. Auf seinem neuen Album versammelt er die Stars, lässt uns aber auch nah an sich selbst heran.

Wohl noch nie zuvor ist die Catchphrase „Mustard on the beat, ho!“ auch nur ansatzweise so oft erklungen wie in den letzten Monaten. Der Producer-Tag des Produzenten Dijon McFarlane, besser bekannt als Mustard, stammt ursprünglich von Rapper YG aus ihrem gemeinsamen Track „I’m good“, seit langem benutzt ihn Mustard, um die von ihm gebauten Beats zu kennzeichnen. So wie den, der Kendrick Lamars Drake-Diss „Not like us“ (alles zur Geschichte des Songs findet ihr hier) untermalt – einen der erfolgreichsten Songs des Jahres, der damit auch Mustard seinen ersten Nummer-1-Hit in den USA verschafft hat. Genau zur rechten Zeit, denn seit längerem war es recht still um ihn geworden. Nun meldet sich Mustard mit seinem neuen Album „Faith of a Mustard Seed“ zurück, und dank des Erfolgs von „Not like us“ sind plötzlich deutlich mehr Augen auf ihn gerichtet als erwartet.

„Pray for me“ ist das Herz des Albums

Es ist eine Situation, auf die Mustard selbst eingeht – im zehnminütigen Closer „Pray for me“, wo er, der sich bisher immer auf die Produktion beschränkt hat, sich erstmals zu Wort meldet, rappt und erzählt. „I can’t do this shit without thanking my n***a K.Dot“, sagt er darin, sich auf Kendrick Lamar beziehend. „He came through, swang through with a number one right before the album drop, I don’t even need no roll-out.“ Es ist einer der vielen offenen, persönlichen Momente des Tracks, der das Herz des Albums darstellt – wohl nicht ohne Grund hat ihn Mustard trotz seiner Länge als Single ausgewählt.

Insgesamt erinnert der Track von seinem Aufbau und seiner Positionierung her stark an Kanye Wests „Last Call“, den letzten Song auf dessen Debütalbum. Doch während Kanye sich damals auf seine Karriere konzentriert hat, spricht Mustard auch über seine Herkunft, seinen Glauben und persönliche Tragödien, mit emotionalen Zeilen wie: „To think I prayed for the world to be back open/Just to lose both of my grandparents to Covid“. So erfahren wir auch, dass der verstorbene Nipsey Hussle ihm die Idee für den Albumtitel gegeben hat, der auf ein Bibelzitat zurückgeht.

Die Features können sich hören lassen

Wenig überraschend, dass „Pray for me“ damit aus dem Rahmen des Albums fällt. Es ist der einzige Song, auf dem Mustard selbst rappt bzw. spricht, auf den anderen sind es Gastmusiker:innen, die ihm ihre Stimmen leihen. Die Liste ist lang und beeindruckend: Future, Little Yachty, Vince Staples, Travis Scott, Ty Dolla $ign, Roddy Ricch, Quavo und Charlie Wilson sind nur einige der Namen, die Mustard gewinnen konnte. Kein kleines Anliegen, sie alle zur Geltung kommen zu lassen und doch einen durchgehenden Sound aufrechtzuerhalten – doch genau das ist schon immer Mustards Stärke gewesen. So gibt es hier die altbekannten Streicher, die sich auch auf „Not like us“ finden („One of them Ones“), neben klassischen Trap-Beats („Pressured up“) und 90er-R’n’b („Mines“).

Insgesamt geht die musikalische Tendenz von „Faith of a Mustard Seed“ definitiv in Richtung Soul, vor allem in der Mitte, wo gleich mehrere emotionale, balladeske Tracks aufeinanderfolgen. Darunter auch „A Song for Mom“, eine bittersüße Ode an Mustards Mutter. Ein wenig irritiert es in diesem Zusammenhang allerdings, dass sich mit Ella Mai, die Mustard selbst einst entdeckt hat, nur eine Frau unter den Gastsänger:innen findet – und die auch erst im zehnten Track auftaucht.

„Faith of a Mustard Seed“: Ein thematischer Spagat

Überhaupt tut sich zwischen dem Konzept des Albums, das vor allem durch den Closer repräsentiert wird, und den Features öfters thematische Lücke auf. So strukturiert Mustard das Album auch mit kurzen Skits zwischen den Tracks, die grob seinem Leben seit der Kindheit folgen. Doch die Texte der Rapper sind oft weniger introspektiv und familienfreundlich als die Vibes, auf die Mustard abzuzielen scheint. Ein prominentes Beispiel etwa ist „Parking Lot“ mit Travis Scott, wo Mustard einen souligen Chipmunk-Soul-Beat liefert, zu dem Scott über Sex im Auto rappt.

Das alles illustriert die Zwiespältigkeit des Albums, das einerseits ein Producer-Mixtape mit allen musikalischen Facetten sein will, andererseits ein persönliches, autobiografisches Werk, wie auch das Cover andeutet, das Mustard als Kind zeigt. Es ist ein Spagat, der wohl nie zu 100 Prozent glücken kann – aber Mustard kommt schon sehr nah dran. Insgesamt ist „Faith of a Mustard Seed“ ein abwechslungsreiches, solide produziertes Album, auf dem sein typischer Sound hervorragend zur Geltung kommt. Doch „Pray for us“ weckt den Wunsch, dass auch der Rest der Platte uns so nah an den Künstler selbst heranlassen würde. Wer weiß, vielleicht bleibt Mustard ja auf dem Kanye-Trip – und wird mit dem nächsten Album endgültig auch zum Rapper.

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