J. Cole: The Off-Season
Zum ersten Mal hat der Rapper nicht krampfhaft versucht, einen Klassiker zu landen: Sein neues Album klingt erstaunlich entspannt.
Im Vorfeld hat es einige Verwirrung über J. Coles neues Album gegeben. Denn eigentlich hatten Fans damit gerechnet, dass die nächste Platte des Rappers den Titel „The Fall off“ tragen würde. Darauf hat unter anderem der Closer seiner letzten LP „KOD“ hingedeutet, der den Untertitel „Intro to ,The Fall off‘“ trägt. Okay, jetzt hat Cole „The Off-Season“ offenbar dazwischengeschoben – und gleich noch andere Projekte angekündigt, die noch vor „The Fall off“ herauskommen sollen.
Doch schon kurz nach der Veröffentlichung des neuen Albums regen sich Stimmen, die in „The Off-Season“ eher ein Mixtape vermuten, auf die man kurzerhand das Albumetikett geklebt hat. Kann es sein, dass J. Cole mit „The Fall off“ nicht so pünktlich um die Ecke kommen wird wie geplant – und deshalb ein anderes Projekt einfach umbenannt hat? Mit fast 40 Minuten ist „The Off-Season“ zwar durchaus lang genug für ein Album. Trotzdem versteht man, was die Fans meinen: Vom Vibe her unterscheidet sich das neue Projekt schon sehr von Coles übrigen Alben.
Wenn der Rapper für eine Sache bekannt ist, dann für seinen Traum, zu den ganz Großen zu gehören – und die Art, wie er immer wieder an den eigenen Ambitionen scheitert. Während viele Hardcore-Fans ihn als den besten Rapper seiner Generation sehen, vergleichen kritischere Stimmen ihn immer wieder negativ mit Konkurrenten wie Kendrick Lamar. Demnach ist J. Cole zu ernsthaft und naiv, um cool zu sein, aber zugleich nicht clever genug, um wirklich deepen Conscious Rap zu machen. Für alle, die dieser Meinung sind, kommt „The Off-Season“ wie gerufen.
J. Cole entspannt sich endlich mal
Denn im Gegensatz zu Coles anderen Alben, die er als bombastische, vielschichtige Meisterwerke angelegt hat, kommt das neueste sehr bescheiden daher. Es gibt kein übergreifendes Konzept, stattdessen bietet der Rapper hier einfach 12 Tracks hintereinander. Dabei lässt sich J. Cole oft und gern von Features begleiten, was für Abwechslung sorgt, die die dezenten – man kann auch sagen: langweiligen – Beats auf Dauer nicht bieten könnten.
So hat sich Cole 21 Savage und Lil Baby an die Seite geholt, sein alter Kollege Bas kommt sogar auf zwei Tracks zu Wort. Dazwischen erlaubt Cole selbst es sich auch einmal, die großen Themen an der Seite zu lassen und einfach anzugeben, etwa im Opener „9 5 . s o u t h“. Und rappen kann er – das ist am deutlichsten im besten Track des Albums, dem epischen „t h e. c l i m b . b a c k“, den Fans schon seit letztem Juli kennen.
Die Befreiung von dem Zwang, ein Jahrhundertwerk von ähnlichem Kaliber wie Lamars „To pimp a Butterfly“ herauszubringen, ist ein zweischneidiges Schwert für J. Cole: Einerseits gibt es ihm Raum zum Atmen, sich einfach mal auszuprobieren, Spaß zu haben. Und wer nicht immer auf den Mond zielt, trifft öfter mal ins Ziel. Andererseits bleiben solche Jahrhundertwerke, wenn sie denn gelingen, natürlich auf eine Weise im Gedächtnis, die „The Off-Season“ wohl kaum beschieden sein wird. Welchen Cole man lieber mag – den Großen Philosophen oder den sehr guten Rapper – wird wohl auch darüber entscheiden, ob man das Album als Meilenstein oder eher als Zwischenstopp wahrnimmt.